Wissenschaft war lange schlecht darin, Intelligenz von Tieren zu messen

Die Wissenschaft beging lange Zeit den grundlegenden Kategorienfehler, tierische Intelligenz nur an menschlichen Maßsstäben zu messen.

Kaum einer der Texte, die ich aktuell über Intelligenz bei Tieren lese, kommt ohne ein spezifisches Zitat von Werner Heisenberg aus:

What we observe is not nature in itself, but nature exposed to our method of questioning.

So auf Frans de Waals Buch Are We Smart Enough to Know How Smart Animals Are, der dieses Zitat gleich seinem ersten Kapitel voranstellt. Was er danach berichtet, bringt mich auf eine ziemlich eindeutige Antwort auf die titelgebende Frage: Nein. Schon beim Menschen fällt es uns chronisch schwer, ein so vielfältiges und gleichzeitig diffuses Konstrukt wie Intelligenz zu definieren, umso schwerer sollte es uns bei Tieren fallen.

Der erste Punkt ist dabei ein grundlegender Kategorienfehler bei der Betrachtung nicht-menschlicher Intelligenz: Wir messen sie an demselben Maßstab wie menschliche Intelligenz, auch wenn tierisches Leben unter komplett anderen Umständen stattfindet und sich auf für uns schwer vorstellbare Problemstellungen einlassen muss. So schreibt de Waal pointiert:

It seems highly unfair to ask if a squirrel can count to ten if counting is not really what a squirrel’s life is about.

Diese Verengung des Blicks führt dazu, dass wir das wahre Maß an Intelligenz bei nicht-menschlichen Wesen chronisch verkennen und unterschätzen. Dazu kommt auch eine methodische Schwäche, wenn nicht gar Dummheit, die aus heutiger Perspektive wahnwitzig wirkt, deren Ergebnisse aber noch immer die öffentliche Wahrnehmung von Intelligenz bei Tieren prägen. Ein besonders prägnantes Beispiel findet sich hier der Untersuchung der Intelligenz anderer Primaten:

At the time, science had declared humans unique, since we were so much better at identifying faces than any other primate. No one seemed bothered by the fact that other primates had been tested mostly on human faces rather than those of their own kind. When I asked one of the pioneers in this field why the methodology had never moved beyond the human face, he answered that since humans differ so strikingly from one another, a primate that fails to tell members of our species apart will surely also fail at its own kind.

Heute wissen wir, dass es selbst Menschen schwerer fällt, andere Menschen voneinander zu unterscheiden, wenn sie eine andere Hautfarbe haben. Wie unfair ist dann erst der Test, Schimpansen mit den Bildern von Menschen zu testen und dabei noch explizit zu betonen, dass wir uns doch so deutlich unterscheiden …

Für die empirische Erforschung nicht-menschlicher Intelligenz ergibt sich daraus eine ganz besonders anspruchsvolle methodische Voraussetzung:

If we fail to find a capacity in a given species, our first thought ought to be “Did we overlook something?” And the second should be “Did our test fit the species?” […] The challenge is to find tests that fit an animal’s temperament, interests, anatomy, and sensory capacities.

De Waal geht sogar noch weiter und fordert im Grunde eine Beweislastumkehr, wenn es um die Einschätzung nicht-menschlicher Intelligenz geht. Anstatt die grundsätzliche Verschiedenheit der Intelligenz zwischen Menschen und anderen Tieren als gesetzt zu akzeptieren, fordert er, diese Verschiedenheit als beweis-bedürftige empirische Aussage zu verstehen. So stellt er sich dem von ihm beschriebenen Anthropodenial entgegen:

I am all for shifting the burden of proof and ask those who wish to avoid humanlike terminology to first prove that a tickled ape, who almost chokes on its hoarse giggles, is in fact in a different state of mind from a tickled human child.

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