Tiere lernen im hohen Maße sozial

Lernen ist bei vielen nicht-menschlichen Tieren eine soziale Aktivität, die sogar lokal unterschiedliche „Kulturen“ hervorbringt.

Das wissenschaftliche Vorgehen bei der Messung von Intelligenz und Lernfähigkeit bei nicht-menschlichen Tieren hat ein grundlegendes Problem: Es setzt darauf, dass Tiere von Menschen lernen, während diese in ihrem eigentlichen Lebensraum im Normalfall von Artgenossen lernen.

Dabei geht es nicht nur darum, dass der Lernprozess an sich besser funktioniert, sondern auch darum, dass das Lernen bei zahlreichen Tierarten eine starke soziale Komponente hat. Dabei zeigt sich sogar, dass sich für bestimmte Aufgaben lokale „Kulturen“ bilden, die eine Aufgabe auf eine bestimmte Weise erfüllen, während andere Gruppen eine andere Vorgehensweise entwickeln. Diese lokale „Kultur“ bleibt allerdings auch dann erhalten, wenn die Gruppen sich gegenseitig beobachten und damit die andere Technik ebenfalls lernen könnten. So schreibt Frans de Waal in seinem Buch Are We Smart Enough To Know How Smart Animals Are?:

They learned the technique from a model: a pretrained group member. One group saw a lifting model, the other a poking model. Even though we used the same apparatus for both groups, moving it back and forth between them, the first learned to lift, and the second to poke. Vicky had created two distinct cultures, dubbed the “lifters” and the “pokers.”

Wenn wir diesen sozialen Aspekt des Lernens genauer betrachten, wird auch deutlich, dass dieser bei nicht-menschlichen Tieren auch dazu führt, dass sie unmittelbare Nachteile in Kauf nehmen und Widerstände überwinden, um eine Technik oder ein Verhalten zu erlernen:

One of the most intriguing sides of social learning—defined as learning from others—is the secondary role of reward. While individual learning is driven by immediate incentives, such as a rat learning to press a lever to obtain food pellets, social learning doesn’t work this way. […] Since they utterly fail at this task for so many years in a row, it is unlikely that food is the incentive. They may even experience negative consequences, such as smashed fingers. Yet young chimps happily persist, inspired by the example of their elders. (S. 257)

Auch hier wird also deutlich, dass Lernen und Intelligenz hochkomplexe Phänomene sind, die auch bei Tieren nicht auf ein rein-behavioristisches Modell reduziert werden können. Stattdessen können wir hier zahlreiche Eigenschaften beobachten, die sich in ähnlicher Form auch beim Menschen finden. Damit wird die vorgebliche qualitative Besonderheit der menschlichen Kognition zu einem grundlegenden Phänomen, das wir differenziert und graduell betrachten müssen.

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