Gaia Vince: Nomad Century

Die Temperaturen steigen weiter und die politische Diskussion wird immer hitziger: Es gibt diejenigen, denen es mit der Klimapolitik nicht schnell genug gehen kann und diejenigen, denen es schon jetzt zu schnell geht. Dazwischen immer wieder neue Horrormeldungen von der Front der Klimaforschung, neue technologische Heilsversprechen, neue Abwiegelungsversuche oder fatalistisches „Es ist eh zu spät“.

In diesem Diskurs nimmt das Buch „Nomad Century“ der britischen Autorin Gaia Vince eine ganz besondere Position ein: Es nimmt die Klimakatastrophe in ihrer Bedeutung vollkommen ernst und nimmt kein Blatt darin vor den Mund, was uns als Menschheit im 21. Jahrhundert bevor steht. Zudem diskutiert sie fundiert die verschiedenen Möglichkeiten, die Katastrophe zumindest noch abzuschwächen. Gleichzeitig sagt sie aber auch ganz klar: Wir können nur noch dafür sorgen, dass es weniger schlimm wird, und nimmt dann einen ganz zentralen Anpassungsmechanismus in den Blick, der die Menschheitsgeschichte seit Anbeginn geprägt hat: die Migration.

Sie schildert, wie mehre Milliarden(!) Menschen in den nächsten Jahrzehnten keine andere Wahl haben werden, als ihre Heimat zu verlassen und in Weltregionen Zuflucht zu suchen, die klimatisch menschliches Leben überhaupt noch erlauben: in erster Linie die nördliche Welthalbkugel, nördlich des 45. Breitengrades – also ungefähr der Höhe New Yorks bzw. Südfrankreichs. Das wird natürlich nicht nur die fliehenden Menschen beeinflussen, sondern auch hier keinen Stein auf dem anderen lassen.

Das Buch von Gaia Vince ist insofern aber besonders, als es diese Migration nicht in erster Linie als „Gefahr“ versteht, sondern als Chance, ja als einzige Chance – selbst für „uns“ Privilegierte. Ihre konkreten Ideen klingen dann wie Science-Fiction, aber gerade das hat mir deutlich gemacht, wie monumental die Aufgabe ist. Sie schildert dann auch, welche technischen und sozialen Kraftanstrengungen notwendig sind, um diese gangbare Zukunft möglich zu machen. Dabei ist sie grundsätzlich optimistisch, dass wir diese werden erbringen können. Ich bin da skeptischer, hoffe aber, dass sie recht hat.

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