Ein angemessener Umgang mit Komplexität bedeutet einen grundlegenden Paradigmenwechsel für das westliche, vorgeblich rationale Denke. Diese basiert auf der Annahme, dass Kausalität linear funktioniert und sich für jedes Phänomen eine oder mehrere Ursachen identifizieren lassen und unmittelbar das zu erklärende Phänomen auslösen. Gleichzeitig erlaubt es uns das Wissen um diese Ursachen, ein hohes Maß an Kontrolle auszuüben: Wenn wir sie gezielt hervorrufen, können wir das Phänomen gezielt auslösen und wenn wir die Ursachen ausschalten, können wir auch das Phänomen verhindern.
Nur dieser Blick ermöglicht es uns, die Welt zu kontrollieren und sie unseren Zwecken zuverlässig untertan zu machen. Dabei setzt unsere Wissenschaft in erster Linie auf verlässliche Vorhersagen, um den Blick in die Zukunft zu wagen und die Konsequenzen unseres Handelns zu antizipieren.
In komplexen Systemen ist eine solche lineare Kontrolle jedoch in erster Linie eine Illusion. Hier gibt es keine einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, sondern vielschichtige Wechselwirkungen, schwer vorhersehbare Dynamiken und überraschende Phasenübergänge. Aktuell können wir diese Entwicklung im Rahmen der beginnenden Klimakatastrophe sehen, die uns im Grunde auf einen vollständig neuen Planeten wirft.
Wenn wir in dieser neuen Welt der komplexen Zusammenhänge fundiert handlungsfähig bleiben wollen, müssen wir akzeptieren, dass der Blick auf die Welt, den uns die wissenschaftliche „Revolution“ gebracht hat, an seine Grenzen stößt. Wir können eben nicht alles kontrollieren und im Zweifel einfach reparieren. Wir müssen lernen, in dynamischen Entwicklungen und komplexen Wechselwirkungen zu denken, die wir nicht mehr deterministisch kontrollieren können – und vielleicht auch noch nie konnten.
Statt zu steuern, können wir „nur“ Impulse setzen, Dynamiken verstärken oder abschwächen. Wir müssen beobachten, neu verstehen lernen und akzeptieren, dass wir nicht die Herrscher*innen der Welt, sondern in ihr und mir leben.
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