Wir stehen der Welt aggressiv gegenüber

Einen Punkt aus den Überlegungen zu Resonanz und Unverfügbarkeit aus dem Buch von Hartmut Rosa möchte ich hier nochmal aufgreifen und vertiefen: Unser gestörtes Verhältnis zur Welt, das uns dazu treibt, die Welt mehr und mehr unter unsere Kontrolle bringen zu wollen.

Rosa beschreibt, wie wir uns in eine Situation manövriert haben, in der es uns grundsätzlich schwer fällt der Welt anders als zweckorientiert-kontrollierend – oder wie Rosa es nennt „aggressiv“ – gegenüber zu treten:

Indem wir Spätmodernen auf allen genannten Ebenen – individuell, kulturell, institutionell und strukturell – auf die Verfügbarmachung von Welt zielen, begegnet uns die Welt stets als »Aggressionspunkt« oder als Serie von Aggressionspunkten, das heißt von Objekten, die es zu wissen, zu erreichen, zu erobern, zu beherrschen oder zu nutzen gilt, und genau dadurch scheint sich uns das »Leben«, das, was die Erfahrung von Lebendigkeit und von Begegnung ausmacht – das, was Resonanz ermöglicht –, zu entziehen,

Es ist leicht zu erkennen, warum eine solche Weltbezeichnung problematisch ist: Sie verhindert eine echte Resonanz, indem sie die eigene Stimme der Welt zu einer Bedrohung macht, statt zu einer Verheißung. Immer mehr Interaktionen mit ihr müssen der zweckrationalen kapitalistischen Logik folgen, also in unserer eigenen Stimme sprechen und unserem Willen folgen. Eine wechselseitige Anverwandlung ist so unmöglich.

Dies wird durch einen anderen Punkt weiter verschärft, den Rosa in seinem großen Werk Resonanz unter anderem auf den globalen Kapitalismus zurückführt:

Wachstum, Beschleunigung und Innovierung erscheinen nicht mehr als Versprechen, das Leben immer besser zu machen, sondern als apokalyptisch-klaustrophobische Drohung

Es ist nicht die Gier nach mehr, sondern die Angst vor dem Immer-weniger, die das Steigerungsspiel aufrechterhält. Es ist nie genug, nicht, weil wir unersättlich sind, sondern weil wir immer und überall wie auf Rolltreppen nach unten stehen

Die kapitalistische „Entfremdung“ ist demnach also nicht nur eine Entfremdung von unserer Arbeit, sie ist eine grundlegende Störung in unserem Verhältnis zur Welt. Und wir ziehen nicht Mal echte Freude daraus, sondern können nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Was aber, wenn wir dadurch noch etwas Schlimmeres erleben?