Im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe ist immer wieder von Kipp-Punkten die Rede, die wir besser nicht erreichen bzw. reißen sollten. Wenn wir es doch tun – ich befürchte, da ist nicht mehr viel mit „falls“ – wird sich die Veränderung des Klimas noch weiter beschleunigen und möglicherweise eine selbstverstärkende Dynamik entwickeln, die uns absolut keine Chance mehr lässt, die Worst-Case-Szenarien für die nächsten Jahrzehnte oder auch -hunderte zu verhindern.
Das Problem daran: Diese Kipp-Punkte wirken auf die meisten von uns sehr abstrakt, genau wie der gesamte Klimawandel. Auch wenn sich das Extremwetter und die Wetterkatastrophen jedes Jahr häufen und auch immer näher an den globalen Norden „heranrücken“, scheint der soziale Kipp-Punkt noch nicht erreicht zu sein, an dem den meisten Menschen wirklich und ernsthaft klar wird, was uns in Zukunft erwarten wird.
Christian Stöcker nennt das in seiner Kolumne in Anlehnung an Al Gore einen „Oh Shit“-Moment:
Psychologisch betrachtet sind »Oh Shit«-Momente gewissermaßen Kipppunkte, bei denen die kognitiven Abwehrmechanismen, mit denen sich unsere Köpfe gegen das Akzeptieren des Unerhörten wehren, endlich versagen. Ja, es stimmt wirklich: Die Menschheit ist dabei, ihren eigenen Lebensraum irreparabel zu zerstören, und die Katastrophen haben längst begonnen.
Dabei sind die Abwehrmechanismen, die er beschreibt, sehr sehr stark und es fällt und extrem schwer anzuerkennen, was wir unserem Planeten und damit uns selbst angetan haben und auch weiter antun. Dieses Eingeständnis würde den Grundlagen unserer modernen (westlichen) Weltsicht widersprechen, die auf dem Glauben fußt, wir könnten die Welt mit Wissenschaft und Technologie kontrollieren. Wir müssten dann den Kontrollverlust akzeptieren, dürften aber trotzdem nicht in Apathie verfallen. Stattdessen müssen wir handlungsfähig bleiben, aber aus einer Position der Demut. Und das fällt uns Hochmütigen leider äußerst schwer.
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