Resonanz setzt Unverfügbarkeit voraus

In seinem Buch Unverfügbarkeit schreibt Hartmut Rosa, dass unsere gesamte moderne Gesellschaft darauf ausgerichtet ist, die Welt verfügbar zu machen, sie zu kontrollieren und sie geplant in unserem Sinne nutzen zu können. Gleichzeitig setzt die ebenfalls von Rosa ausführlich beschriebene Resonanz zwingend ein gewisses Maß an „Unverfügbarkeit“ voraus:

Resonanz entsteht für ihn daraus, dass wir als Menschen zu etwas – z. B. einer Person, einer Sache oder einer Idee – in Beziehung treten und diese uns aus sich selbst heraus eine Antwort gibt, die wir wiederum aufgreifen und uns „anverwandeln“ – wenn das jetzt sehr schräg klingt, ich habe die ganze Theorie mal im Podcast aufgearbeitet.

Wenn wir etwas nun aber zu einhundert Prozent kontrollieren und damit komplett über es verfügen, hat es keine „eigene Stimme“ mehr, mit der es uns antworten und damit Resonanz erzeugen kann.

Vier Dimensionen der Kontrolle

Rosa unterscheidet nun vier Ebenen der Kontrolle, auf denen unsere moderne Gesellschaft basiert, hier am Beispiel einer Reise:

  1. Das Sichtbar-Machen, also beispielsweise der Bericht über ein Reiseziel
  2. Das Erreichbar-Machen, also die Möglichkeit, dort bezahlbar und bequem hin zu reisen
  3. Das Beherrschbar-Machen, also die touristische Erschließung
  4. Das Dienstbar-Machen, also mit dem Urlaub konkrete Ziele zu verfolgen, wie beispielsweise die Erholung, um weiter kapitalistisch verwertungsfähig zu sein.

Dabei lassen sich alle vier Dimensionen als „Ausdehnung der eigenen Weltreichweite, oft auf Kosten anderer“ verstehen. Das ist an dem Reisebeispiel mit den Auswirkungen auf die Bewohner*innen eines Reiseziels leicht zu erkennen.

Dieser enge Fokus auf die Verfügbarkeit führt nun aber dazu, dass uns das Reiseziel nicht länger eigenständig antworten kann, wir also nicht in Resonanz mit ihm treten können – wir wissen ja, was passiert, und haben es genau so geplant, dass es unserem angestrebten Ziel entspricht. Und schon fühlt sich der vorgeplante Urlaub zwar entspannend, aber vielleicht auch irgendwie hohl an. Was uns in Erinnerung bleibt, sind eher die unerwarteten Momente, die Überraschungen, die Besonderheiten, die wir nicht vorhersehen konnten.

Was passiert aber mit einer Gesellschaft, die sich diesen Zauber nimmt – durchaus auch im Sinne von Max Webers „Entzauberung“? Auch sie fühlt sich hohl an, wenig resonant und letzten Endes vielleicht sogar sinn-entleert.

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