Dem Schreiben kommt eine ganz besondere Rolle zu, wenn es um das präzise und strukturierte Denken geht. Es kann uns beim unmittelbaren Denken helfen, die Struktur unseres Denkens stabilisieren und dazu dienen, ein Archiv eigener und fremder Gedanken anzulegen. Auf jeden Fall ist das Schreiben jedoch ein höchst persönlicher Akt, der uns hilft, Dinge zu verstehen, sie zu durchdringen und sie – in den Worten Hartmut Rosas – uns anzuverwandeln.
Richard Martin formuliert dies in seinem Artikel Why We Write sehr schön:
When we write, we are writing ourselves into understanding. […] Writing is an act of creation that involves discovery and sense-making.
Dieses Verstehen, diese Entdeckung, dieses sense making – ohnehin ein großartiger Begriff, den ich aus der Organisationssoziologie von Karl Weick kenne – ist anstrengend, ist unbequem und es kann uns sogar Angst machen. Es zwingt uns, in unmittelbare Interaktion mit der Welt zu treten und birgt damit die Gefahr unkontrollierbarer Transformation.
Was passiert nun also, wenn wir dieses Schreiben, nein, dieses Denken an eine „KI“ bzw. ein „Large Language Model“ auslagern? Wir sparen uns die Anstrengung, das Denken und laufen nicht Gefahr, mit der realen Welt konfrontiert zu werden. Wir können uns zurücklehnen und unsere aggressiv-kontrollierende Grundhaltung ihr gegenüber beibehalten.
Auch hierzu schreibt Martin wieder sehr prägnant:
Without personal research, experience, struggle and insight, how does what is written become part of who we are? What will the students retain from an exercise that involves no exertion on their part?
„KI“ kann Produkte erstellen, doch beim Schreiben geht es oft meist nur vordergründig um dieses Textprodukt. Es geht um das damit verbundene Denken, die Ideen, die Entwicklung, die Entdeckung und damit schließlich um unsere eigene Identität.
Artikel, die auf diesen Text verweisen
Kommentare
Du könntest(!) den fremdsprachigen Zitaten ein <a title=““> … </a> drumherumbauen mit der Übersetzung als „title“. (Ich mach das wie viele andere so …)