Schreiben für Blogs und Zettelkästen

Gestern ist mir mal wieder ein spannender Gedanke dazu über den Weg gelaufen, wie ich das Schreiben und das Denken besser in meinen Alltag integriert bekomme: Jack Ivers schreibt in seinem Post How To Write Everyday über Matthias Otts Beitrag Writing, Fragments and the Memex Method, der sich wiederum Cory Doctorows Text The Memex Method bezieht. Dabei geht es im Grunde um eines: Zettel schreiben. Also, sie nennen es nicht Zettel, aber es sind regelmäßig geschriebene, kurze Texte, die einen aktuellen Gedanken aufgreifen und entwickelt. Das klingt für mich schon gewaltig nach Zetteln im Sinne von Luhmanns Zettelkasten.

Dabei gibt es jedoch zwei kleine Twists, die ich auch für meine Denk-Arbeit bedenkenswert finde

  1. Schreibe jeden Tag mindestens einen (kurzen) Text. Über einen anderen Text, einen Gedanken, eine Idee, was auch immer. Wie kurz auch immer. Aber:
  2. Veröffentliche diesen Text.

Die Kombination dieser beiden Ansätze führt zu einer stetig wachsenden Zahl an Fragmenten zu all den Themen, die einen interessieren. Gleichzeitig sind diese Gedanken zumindest so weit ausgearbeitet, dass sie als kleiner Text für sich stehen können und nicht nur im Kopf des*der Autor*in existieren.

Im Laufe der Zeit entsteht dadurch etwas anderes, das Cory Doctorow wie folgt beschreibt:

These repeated acts of public description adds each idea to a supersaturated, subconscious solution of fragmentary elements that have the potential to become something bigger. Every now and again, a few of these fragments will stick to each other and nucleate, crystallizing a substantial, synthetic analysis out of all of those bits and pieces I’ve salted into that solution of potential sources of inspiration.

Cory Doctorow: The Memex Method

Auch das klingt wieder sehr nach dem guten alten Zettelkasten, den ich in digitaler Form ja auch schon eine Weile führe. Aber eben unregelmäßig und wie etwas, das sich immer irgendwie nach Arbeit anfühlt und bei dem sich nie eine richtige Routine eingespielt hat. Und vielleicht ist das genau der Punkt: Routinen stellen sich eben meist nicht einfach so ein, sondern sie sind die konsequente Umsetzung einer Entscheidung, wie Matthias Ott schreibt:

I know that many of us – including myself – often don’t “find” enough time to write. But here’s the catch: writing every day isn’t just an aspirational goal, it’s a decision. You don’t wait until you find some time to write or only write when you’re kissed by the muse. No, you make the conscious decision to write every day, because that’s what a writer does.

Matthias Ott: Writing, Fragments, and the Memex Method

Was dem öffentlichen Schreiben in einem Blog jedoch fehlt, ist die Struktur des Zettelkastens – seine Nummern und Folgezettel. Dafür gibt es Querverweise und Backlinks (via Pingbacks). Und vielleicht sollte ich überhaupt weniger über Struktur und Werkzeuge nachdenken und einfach mal wieder eine Schreibroutine entwickeln. Hier, in diesem Blog. Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie ich die meinen Alltag zwischen Arbeit und Kleinkind verlässlich integrieren soll, ich werde es versuchen. Nein, ich werde es tun. Oder doch nur versuchen? …

Artikel, die auf diesen Text verweisen


Kommentare

Claus 1. Juni 2023 Antworten

Das Problem ist, dass die vielen diversen Klein-Einträge erst durch aktive Verlinkung zu etwas Größerem, Bedeutungsvolleren zusammenwachsen und das ist _noch ein_ Arbeitsschritt nach dem Eintragen. Bei mir klappt das nach drei, vier Jahren Zettelkasten eher sehr schlecht oder anders gesagt: Luhmanns Genie bestand nicht nur im manischen Schreiben sondern auch im Verlinken, was Pflicht war, weil sein Zettelkasten analog war und der Kasten sonst alles vergessen hätte. Wir haben eine digitale Volltextsuche und müssen nicht mehr aktiv verlinken, verschenken damit aber auch mehr als die Hälfte an Zettelkasten-Power.

Dr. Nils Müller 1. Juni 2023 Antworten

Jupp, das ist eine Abwägungssache. Ich werde hier versuchen zu verlinken. Und schlecht verlinkt ist immer noch besser als nicht geschrieben… 😉

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