Form, Inhalt und „KI“
Die Diskussion um „künstliche Intelligenz“ hat gerade erst wirklich angefangen. Mit der Zuschreibung von Intelligenz und der Frage nach der aggressiven Grundhaltung gegenüber der Welt habe ich zwei Aspekte bereits angesprochen, ein dritter Aspekt ist der Vorrang von Form gegenüber Inhalt:
Die besondere Stärke von „Large Language Models“ liegt darin, einen vorgegebenen Inhalt – entweder durch den Nutzer oder durch zahlreiche codierte Texte im Modell – in eine bestimmte sprachliche Form zu bringen. Nun haben wir große Teil der Arbeitswelt so eingerichtet, dass sie genau daraus besteht, Inhalte aus den Köpfen der Mitarbeitenden oder z. B. aus Dokumentationen in eine andere sprachliche Form zu bringen: Konzepte und Anträge, Memos und Berichte, E-Mails und Dokumentationen.
Es geht dabei zwar immer auch irgendwie um den Inhalt, aber ein großer Teil der Arbeit geht dafür drauf, die unterschiedlichen Anforderungen an die Form zu erfüllen: Antragsprosa, die ein (fraglos sinnvolles) Vorhaben ambitioniert und innovativ klingen lässt, Floskeln und Umschreibungen, die einen wissenschaftlichen Text auch wissenschaftlich klingen lassen oder ziselierte Formulierungen, die eine direkte Frage höflich klingen lassen.
Dabei wird die Form immer wichtiger im Verhältnis zum Inhalt. Und zwar aus einem ganz konkreten Grund: Kompetenzen und Wissen sind mittlerweile in vielen Bereichen so sehr spezialisiert, dass viele Empfänger von Berichten, Memos oder Anträgen deren Inhalte gar nicht mehr in der Tiefe durchdringen können. Stattdessen hilft ihnen die Form (vorgeblich) zu erkennen, ob die Autor*innen die Anforderungen erfüllen.
Wenn nun aber eine KI diese Konventionen ähnlich gut abbilden kann, wie wir Menschen, stellt sich tatsächlich die Frage nach unserem Beitrag. Hier muss jetzt tatsächlich der Inhalt wieder relevanter werden – die Gedanken, die Ideen, die Argumente – und weniger die Form. Dabei sind besonders die Leser*innen der Konzepte gefragt. Sie können sich auf die Form als Indikator für Qualität nun noch weniger verlassen als ohnehin schon.