Marktmacht nach oben und unten
In Ihrem Buch Chokepoint Capitalism beschreiben Rebecca Giblin und Cory Doctorow einen sehr spannenden Mechanismus, wie sich digitale Plattformen wie Amazon, aber auch Apple, Spotify oder Google in eine sehr spezifische und extrem lukrative Marktposition manövrieren konnten:
Bei der Regulierung von Märkten setzen die Behörden in erster Linie darauf, „Monopole“ zu verhindern, also Märkte, in denen es nur einen Anbieter für ein bestimmtes Produkt gibt und der auf diese Weise Preise und Bedingungen quasi beliebig setzen kann. Das führt dann, in der klassischen Logik, zu einer unzulässigen Marktmacht, die durch rechtliche Regulierung verhindert werden muss oder aufgebrochen werden kann.
Dabei legten die Behörden in den USA lange Zeit den klaren Fokus auf den Preis als Indikator für das Funktionieren eines Marktes: Solange der Preis für den Endverbraucher sinkt, funktioniert der Markt. Diesen einseitigen Blick machten sich in den letzten 20 Jahren Anbieter wie Amazon zu gute, die ebenfalls einseitig darauf setzten, die Preise für die Kund*innen zu drücken. Durch diese niedrigen Preise zogen sie immer mehr Kund*innen auf ihre Plattform und zerstörten den Markt für kleinere Anbieter. So wurden sie zu Monopolisten, ohne dass die Behörden tätig wurden.
Nun hat Amazon bei zahlreichen Produkten – z.B. analogen und digitalen Büchern, aber auch Serien und Filmen – eine solche Marktmacht, dass Verlage und andere Anbieter gerade kultureller Produkte nicht anders können, als ihre Produkte dort anzubieten und einen relevanten Anteil ihres Umsatzes dort zu generieren, einfach weil es keine Alternative gibt. Das macht Amazon nicht nur gegenüber den Endkund*innen zu einem Quasi-Monopolisten, sondern gegenüber den Verlagen und Co. zu einem Quasi-„Monopsonisten“.
Ein „Monopson“ ist dabei ein Markt, in dem es nur einen Käufer für ein bestimmtes Produkt, der dann wiederum gegenüber den Verkäufern den Preis und die Bedingungen diktieren kann.
Amazon ist nun also sowohl Monopolist im Hinblick auf seine Einnahmen durch den Verkauf als auch Monopsonist im Hinblick auf seine Kosten durch den Einkauf. Eine bequeme Position, in der sich sehr, sehr viel Geld verdienen lässt. Das geht dann nur leider auf Kosten der Endverbraucher*innen und der Produzent*innen kultureller Güter.
Schöne neue Welt …