Airlines sind eigentlich Zentralbanken

In immer weniger Wirtschaftszweigen geht es tatsächlich darum, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Immer häufiger geht es stattdessen um Finanzgeschäfte, wie Kredite oder daraus abgeleitete Anlageformen, die am Kapitalmarkt verkauft werden können. Genau diese Konstruktion wurde 2008 dem US-amerikanischen Finanzmarkt zum Verhängnis.

Eine etwas anders gelagerte Form von „Finanzialisierung“ in der Luftfahrtbranche schildert Wendover Prodcutions in ihrem Video How Airlines Quietly Became Banks:

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Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass – zumindest bei den amerikanischen Airlines – die Subunternehmen, die die Bonusmeilen-Programme betreiben, alleine deutlich wertvoller sind, als die Gesamtunternehmen. Damit das aufgeht, müssen die anderen Teile des Unternehmens – darunter der eigentliche Flugbetrieb – einen negativen(!) Gesamtwert aufweisen.

Anders gesagt: Die Bonusmeilen-Programme sind der eigentliche Umsatzbringer für diese Fluglinien. Der Flugbetrieb an sich und die umgebenden Bereiche sind so defizitär, dass sich faktisch keinen Cent wert sind. Und das trotz vorhandenen Eigentums wie Flugzeugen oder teuren Landelizenzen. Und das wiederum trotz der massiven und meist gut versteckten Subventionen für die Luftfahrt.

Wie können die Bonusmeilen aber nun so wertvoll sein? Dahinter stecken mehrere, eng miteinander verwobene, Prozesse:

  1. Airlines binden mit ihrem Bonusprogramm die eigenen Kunden, die sogar bereit sind, einen kleinen Aufpreis zu bezahlen, um dem erhofften Freiflug oder dem kostenlosen Upgrade näher zukommen
  2. Airlines „verkaufen“ ihre Bonusmeilen an andere Unternehmen, wie beispielsweise Ölkonzernen oder Kreditkartenunternehmen. Diese bieten sie wiederum ihren Kund*innen als Anreize an und hoffen so, diese zu binden und ihre eigene Marktposition zu stärken. Dabei sind die Meilen gerade in den USA extrem attraktiv als solcher Anreiz und dementsprechend nachgefragt bei den Unternehmen. Die Airlines können die Preise dafür also fleißig erhöhen und entsprechende Margen einfahren.
  3. Wenn die Kund*innen der Airlines ihre Flüge nicht mit Geld, sondern faktisch mit Punkten bezahlen, sind sie auch hier bereit, mehr „Geld“ auszugeben, da es in ihrer Wahrnehmung ja geschenkte Punkte sind. Die Airline bekommt das Geld aber natürlich, nur eben nicht von den Fluggästen, sondern von den Partnerfirmen.
  4. Bonuspunkte werden an keiner Stelle versteuert, da sie rechtlich nicht als Einkommen, sondern als Rabatt zählen. Für die Partnerunternehmen wiederum sind sie Werbeausgaben, die steuerlich geltend gemacht werden können.
  5. Vielflieger bezahlen ihre Flüge meist nicht selbst, sondern bekommen diese von ihrem Arbeitgeber bezahlt. Sie können die Punkte aber privat nutzen – ein weiterer Anreiz, um mehr und teilweise auch teurer zu fliegen.
  6. Bonusmeilen sind mittlerweile sowohl bei der Ausgabe als auch beim Einlösen an konkrete Geldwerte gebunden – sprich teurere Flüge bringen mehr Meilen, kosten aber auch mehr. Damit werden sie im Grunde zu einer Währung, für die die Fluglinie als Zentralbank fungiert.

Ich weiß nicht, inwiefern diese Überlegungen Eins zu Eins auf Fluglinien in Europa oder anderswo in der Welt übertragbar sind. Die Diskussion unter diesem Mydealz-Schnäppchen lässt mich aber vermuten, dass hier ähnliche Prozesse im Gang sind. Systeme wie Payback oder auch die BahnBonus-Punkte verfolgen jedoch offensichtlich ein ähnliches Ziel.

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