Freiheit braucht Freiraum und Reflexion

In vielen Bereichen gilt es heute noch immer als eine Zier, eine Auszeichnung, möglichst beschäftigt zu sein. Immer etwas zu tun, immer unterwegs. Keine Pause und kein Müßiggang. Es ist aber auch so verlockend, das meiste aus unserer immer knappen Zeit herausholen zu wollen. Die Optionen sind unüberschaubar und dann ist da auch noch der (vermeintliche) ökonomische Druck: den Chef beeindrucken für die nächste Gehaltsverhandlung, die Kollegin überflügeln für die nächste Beförderung oder auch nur das eigene Ego.

Doch wenn wir uns nur darauf konzentrieren, produktiv zu sein, Aufgaben abzuarbeiten und beschäftigt zu bleiben, geraten wir in eine besondere Form der Passivität. Wir sind dann nicht mehr in der Lage, uns mit den wichtigen Fragen des Lebens zu beschäftigen. So schreibt Maria Popova:

I frequently worry that being productive is the surest way to lull ourselves into a trance of passivity and busyness the greatest distraction from living, as we coast through our lives day after day, showing up for our obligations but being absent from our selves, mistaking the doing for the being

Wie vielleicht im Einstieg schon deutlich geworden ist, ist diese Art der fast schon manischen Produktivität oft getrieben von konkreten Ängsten, insbesondere vor dem ökonomischen oder sozialen Abstieg. Gleichzeitig fällt es uns in so einem Zusammenhang schwer, unsere Bedürfnisse konkret zu erkennen, zu benennen und sie dann gezielt und bewusst in unserem Alltag zu befriedigen versuchen. So schreibt Frank Chimero:

Our minds can be gruesomely specific about our fears, but can only make vague, imprecise gestures at our desires through broad words like love, happiness, or contentedness

Wir brauchen selbst im stressigsten und vollsten Alltag Freiräume für Momente der Reflexion, in denen es eben nicht blindlings dem ersten Besten hinterherrennen, das uns von unseren Ängsten ablenkt. Wir brauchen den Raum, unsere eigentlichen Bedürfnisse zu erkennen und dann die Zeit und den Mut, diese ernst zu nehmen und zu einem beständigen Teil unseres Lebens zu machen. Nur dann sind wir wirklich frei.

Uns so zeigt sich eine weitere Komplikation der eigentlich so erstrebenswerten Freiheit, diese unsere (post-)moderne Zeit auszeichnet: Für diejenigen in einer ökonomisch halbwegs stabilen Lage bietet sie unendliche Möglichkeiten, doch es fällt uns verdammt schwer, mit diesen richtig umzugehen …

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