Amerikanische Wirtschaftspolitik zerstörte mexikanische Landwirtschaft

Die Geschichten Mexikos und der Vereinigten Staaten sind eng miteinander verwoben. Dabei sind es meist die USA, deren (Wirtschafts-)Politik zu gewaltigen Umwälzungen in ihrem südlichen Nachbarland führt. Leider fast immer zu dessen Nachteil.

Zwei Beispiele finden sich in dem Artikel Göt­ter­spei­se von Alain Amariglio in der Ausgabe August 2023 der ohnehin immer extrem lesenswerten deutschsprachigen Ausgabe der Le Monde Diplomatique

Neben einem detaillierten Blick auf den Zusammenhang zwischen der spezifischen landwirtschaftlichen Kombination von Bohne, Mais und Kürbis – der Milpa – schildert Amariglio ein Ereignis, dass den mexikanischen Anbau von Mais innerhalb kürzester Zeit unwirtschaftlich machte:

1994 öffnete das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) die Handelsgrenzen zwischen Mexiko, den USA und Kanada. Die Märkte wurden mit US-amerikanischem Mais überschwemmt, die Preise stürzten ab. Die mexikanischen Familienhöfe konnten mit den durch Düngemittel, Biozide und Subventionen aufgepumpten nordamerikanischen Riesenbetrieben nicht konkurrieren.

Dieser Zusammenbruch eines großen Teils der mexikanischen Landwirtschaft erwies sich für die Vereinigten Staaten gleichzeitig aus einem anderen Grund als Segen – oder zumindest für den ohnehin bereits wohlhabenden Teil:

Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner fanden nur noch in den Maquiladoras Arbeit, in zollfreien Zonen produzierenden ausländischen Montagebetrieben.

Es gab auf einmal in Mexiko viele verzweifelte Familien, die dann bereit waren zu niedrigsten Löhnen und unter widrigen Umständen in Fabriken innerhalb spezieller Wirtschaftszonen zu arbeiten und dort billige Produkte für den amerikanischen Markt und den Weltmarkt zu produzieren. Das bot den Unternehmen große Gewinne, schwächte aber wiederum die Arbeiter in den USA. Allen ging es schlechter, außer denen, die eh schon viel hatten.

Die Perversion ging sogar noch weiter, als der us-amerikanische Landwirt Larry Proctor in Mexiko eingekaufte Gelbe Bohnen aussähte, über zwei Generationen selektierte und das so „gezüchtete“ Saatgut zum Patent anmeldete. Eine Pflanze wohlgemerkt, die in ähnlicher Form bereits seit mehreren Jahrtausenden in Mittel- und Südamerika angepflanzt wurde:

Auf seinen Patentantrag hatte der Gringo nur „gelbe Bohnen“ geschrieben, und das Patentamt in Washington hatte „Amen“ gesagt. Proctor verlangte 22 Prozent von jeder in den USA verkauften gelben Bohne. Er stoppte die Importe und führte Prozesse.

Im Endeffekt wurde das Patent zwar aufgehoben, das ändert aber nichts an der Absurdität des zugrunde liegenden Systems, das dieses überhaupt erst ermöglicht hatte.

Diese Entwicklungen zwischen Mexiko und den USA sind ein weiteres Beispiel dafür, warum wir sehr genau hinschauen sollten, wenn wir ärmeren Staaten ihre Armut vorwerfen und ihnen Unfähigkeit unterstellen. Meist findet sich ein sehr guter Grund für diese Armut und sehr oft ist er in der Politik der Länder zu finden, die wir heute „globaler Norden“ nennen.

Artikel, die auf diesen Text verweisen


Kommentare

T.S. Aguilar 15. August 2023 Antworten

Mexikaner mit ihrer besonderen Art von Humor hatten schnell erkannt was NAFTA für Mexiko beinhaltete und nannten dieses Abkommen deshalb ARENA (Acuerdo Regresivo de la Economía del Norte de América) was natürlich als ‚Sand‘ übersetzt wird und darauf hinwies, daß NAFTA für Mexiko nur Sand im Getriebe bedeutete. Wie wahr!

Schreibe einen Kommentar