KI-Kunst kennt keine „Originale“

Die Entwicklung von KI-Tools im Bereich der Kunst – wie z. B. der Bildgenerator Midjourney oder der Google-Algorithmus MusicLM – bringen auf den ersten Blick eine gewaltige Demokratisierung der Kunst: Jede*r wird nun in die Lage versetzt, den eigenen Gedanken und Gefühlen in einer Form Ausdruck zu verleihen, die als „Kunst“ wahrgenommen werden kann.

Diese Demokratisierung bezieht sich jedoch nur auf ganz bestimmte Ausdrucksformen, die kompatibel zu den Plattformen sind, auf die hin die Modelle trainiert wurden – z. B. TikTok. Diese Ausdrucksformen wiederum sind nicht auf menschliches (Er-)Leben und Fühlen ausgerichtet, sondern algorithmische und kapitalistische Verwertbarkeit. Sie sind also auf eine ganz bestimmte Form des Publikums geeicht und nicht (in einem Habermasschen Sinne von „Kunst“) auf einen besonders authentischen Ausdruck des Selbst. Auf diese Weise schaffen diese Modelle ein Bild des Selbst, das weiter in erster Linie durch das Publikum bestimmt wird (Rob Horning: I Write the Songs).

Dabei geht insbesondere das verloren, was Walter Benjamin „Aura“ nennt, also der Bezug eines konkreten Kunstwerks auf das menschliche Sein im Hier und Jetzt. Diese Aura verschwindet bereits bei der Reproduktion eines Kunstwerks, das sich aber immer noch auf ein Original beziehen kann. Die Idee des „Originals“ geht bei KI-generierter Kunst hingegen vollkommen verloren. Gleichzeitig erweckt die entstehende Kunst jedoch genau diesen Anschein.

Stattdessen führt KI-generierte Kunst zu einem beispiellosen „Deskilling“, bei dem kaum noch handwerkliche oder konzeptionelle Kompetenz notwendig ist, um etwas zu erstellen, das von außen wie ein Kunstwerk wahrgenommen wird. Dies ist auf der einen Seite ein sehr inklusiver Akt, der Eintrittsbarrieren in den künstlerischen Ausdruck reduziert, er ist aber eben auch gleichzeitig verflachend, weil er den Ausdrucksformen einen sehr engen Rahmen vorschreibt, und für das Publikum überfordernd, weil er die Menge an verfügbaren Medien noch weiter explodieren lässt. Wahre Demokratisierung sähe an dieser Stelle anders aus:

But popularity cannot be the sole criterion of cultural democratization. Just as the democratization of creativity would enable people to develop their skills and capacities, so the democratization of consumption would enable them to develop their tastes, interests and knowledge (Rogers Brubaker: Hyperconnected Culture And Its Discontents)

Dies würde es mehr Menschen ermöglichen, echte „Originale“ zu erarbeiten.

Schreibe einen Kommentar