Da meine Faszination für das Bauhaus mal wieder neu erwacht ist, habe ich mich gleich nach der Biografie von Franz Ehrlich an den Roman „Blaupause“ von Theresia Enzensberger gesetzt. Der Roman schließt im Grunde nahtlos an das Vorhaben von Borries und Fischer an und zeigt die Komplexität und damit insbesondere auch die graueren Seiten des Bauhauses auf.
Enzensbergers Protagonistin ist die fiktive(?) Bauhaus-Schülerin Luise Schilling, die aus gutem Hause in Berlin kommend in Weimar Architektur studieren möchte. Dort erlebt sie nicht nur ein gemeinsames, intellektuell stimulierendes Geistesleben, sondern auch Menschliches und allzu Menschliches: Sie glaubt, die Liebe gefunden zu haben, die ihr dann doch wieder entgleitet. Sie glaubt, sich mit ihrer Familie ausgesöhnt zu haben, was ihr dann doch wieder entgleitet. Und sie glaubt, ihren Weg in der eigenen Hand zu haben, der ihr dann doch wieder entgleitet.
In der Figur der Luise spiegelt sich jedoch nicht nur der bauhäuslerische Versuch, das Leben und die Gesellschaft zu kontrollieren, sondern auch das Leben einer ehrgeizigen Frau in der Zwischenkriegszeit: die Erwartungen der Familie, die Geringschätzung, die Gewalt und schließlich auch der Diebstahl von Ideen.
So kommt sie schließlich zu einem ernüchternden, aber eben leider doch realistischen Schluss:
Ein neuer Mensch, das war das Ziel. Bewegt und geprägt durch die neuen Formen, die ihn umgeben. Aber wie soll das möglich sein, wenn diese Formen doch immer nur von den alten Menschen mit all ihren Fehlern und Mängeln geschaffen werden können?
Wiedermal ein spannender Einblick in das Leben am Bauhaus – diesmal aus der studentischen Perspektive, mit einer spannenden Handlung und komplexen Figuren. Leider ist Luise als Hauptfigur mir etwas fern geblieben, vielleicht auch, weil Enzensberger sich in ihrem Debutroman wenig Zeit für deren Innenleben nimmt.
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