Symbolische Sprache ist nicht notwendig für „Intelligenz“

Neben der „The­o­ry of Mind“ gibt es einen weit­eren Aspekt, der bei der Bew­er­tung nicht-men­schlich­er Intel­li­genz oft herange­zo­gen wird, der beim näheren Hin­se­hen aber in erster Lin­ie auf eine über­mäßige Men­schzen­trierung hin­weist – und möglicher­weise sog­ar auf eine schon beim Men­schen unangemessene: die Sprache.

Frans de Waal for­muliert in seinem Buch Are We Smart Enough To Know How Smart Ani­mals Are? eine ganz zen­trale Beobach­tung im Hin­blick auf den Zusam­men­hang zwis­chen Sprache und Denken. Ein Teil der wis­senschaftlichen Lit­er­atur nimmt einen engen Zusam­men­hang zwis­chen bei­den Phänome­nen an; bis hinzu der soge­nan­nten Sapir-Whorf-Hypothese, die pos­tuliert, dass die Sprache unser Denken bes­timmt. Die Hypothese gilt in dieser Schärfe heute weitest­ge­hend als wider­legt, de Waal zweifelt aber schon einen viel loseren Zusam­men­hang zwis­chen Sprache und Denken an:

I am not wait­ing to hear what my ani­mals have to say about them­selves, tak­ing the rather Wittgen­stein­ian posi­tion that their mes­sage might not be all that enlight­en­ing. Even with respect to my fel­low humans, I am dubi­ous that lan­guage tells us what is going on in their heads. […] Now that I think of it, my dis­trust of lan­guage goes even deep­er, because I am also uncon­vinced of its role in the think­ing process. I am not sure that I think in words, and I nev­er seem to hear any inner voic­es.

Ohne dies expliz­it zu machen, bezieht er sich dabei auf den per­for­ma­tiv­en Aspekt von Sprache, die weniger darauf aus­gelegt ist, das eigene Denken widerzus­piegeln oder zu erlauben, son­dern primär darauf, mit anderen zu inter­agieren, zu kom­mu­nizieren und vielle­icht auch zu manip­ulieren. Wenn wir Intel­li­genz also nicht mit der Fähigkeit zu sym­bol­is­ch­er Sprache gle­ich­set­zen, son­dern mit der Fähigkeit, mit den gegebe­nen Möglichkeit­en eine ziel­gerichtete, plan­mäßige und vielle­icht sog­ar strate­gis­che Kom­mu­nika­tion mit Artgenossen zu erzie­len, schnei­den viele Tiere sehr gut ab:

lan­guage-inspired stud­ies have dis­pelled the notion that nat­ur­al ani­mal com­mu­ni­ca­tion is pure­ly emo­tion­al. We now have a far bet­ter grasp of how com­mu­ni­ca­tion is geared to an audi­ence, pro­vides infor­ma­tion about the envi­ron­ment, and relies on inter­pre­ta­tion by those receiv­ing the sig­nals.

Mit unserem men­schlichen Fokus auf die explizite und sym­bol­is­che Sprache verkürzen wir Men­schen nicht nur nicht-men­schliche Intel­li­genz, son­dern reduzieren auch unsere eigene, men­schliche Kom­mu­nika­tion. Auch hier gibt es einen Aspekt der belebten Intel­li­genz, der sich in Bere­ichen wie Ton­fall, Kör­per­sprache, Mimik oder auch ein­fach dem schw­er fass­baren Charis­ma äußert. All diese Punk­te kön­nen nur mit großem Aufwand im Aus­druck bewusst ges­teuert wer­den, wir ver­ste­hen und inter­pretieren sie jedoch fast schon instink­tiv:

By direct­ing our atten­tion to what oth­ers have to say, we neglect body lan­guage com­pared to ani­mals, for whom it is all they have to go by. It is a skill they employ every day and have refined to the point that they read us like a book.

Hier zeigt sich auch wieder unser west­lich­er Bias, das Selb­st der belebten Intel­li­genz zu ver­leug­nen, und eine ver­steck­te Auf­forderung, diesen Punkt in unser Selb­st­bild und unser Leben zu inte­gri­eren.

Quellen

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