Rationales Denken entfremdet uns von der Welt

Die west­liche Philoso­phie und der auf ihr aufge­baute „mod­erne“ Blick auf die Welt rühmt sich des ratio­nalen Denkens, der Ver­nun­ft und der konzep­tionellen Fähigkeit­en der Men­schen: Berech­nun­gen, Entwürfe, The­o­rien und Maschi­nen machen uns zu dem, was wir sind, und erheben uns über die „ein­fache“ Natur. Mit der Hil­fe der Sprache, der Math­e­matik und der exper­i­mentellen Wis­senschaften haben wir es dieser Ansicht nach geschafft, uns zu emanzip­ieren und müssen uns nun nicht mehr den Regeln der Natur unter­w­er­fen.

Mal abge­se­hen davon, dass diese vorge­bliche Kon­trolle eine Illu­sion ist, ste­ht diese Per­spek­tive aus glob­aler Per­spek­tive keineswegs alter­na­tiv­los dar. So zieht Jere­my Lent in seinem Buch The Web of Mean­ing das Faz­it, dass der West­en es falsch herum denkt. Während der christliche Schöp­fungsmythos das „Wort“ an den Anfang aller Exis­tenz stellt, nimmt beispiel­sweise der Tao­is­mus eine grundle­gend anderen Blick­punkt ein:

Lan­guage, in their view, was anath­e­ma to the Tao. In fact, the very first words of the Tao Te Ching read, para­dox­i­cal­ly, ‘The Tao that can be spo­ken of is not the true Tao.’

Unter „Tao“ wird dabei der Fluss der Natur ver­standen, ein har­monis­ches Prinzip, das allem zugrunde liegt und alles durch­wirkt. Dabei gibt es keine grundle­gen­den dual­is­tis­chen Tren­nun­gen zwis­chen Natur und Men­sch oder Kör­p­er und Geist. Das Tao ist über­all und die Ein­heit und Dif­ferenz von allem. Aus west­lich­er Per­spek­tive ist dieses Konzept auf den ersten Blick nur schw­er ver­ständlich, Lent bringt aber ein intu­itives – wenn auch ver­mut­lich grob vere­in­fachen­des – Beispiel:

Ani­mals, plants and oth­er liv­ing beings spon­ta­neous­ly act accord­ing to their te, and because of that they flow with the way of nature– with the Tao. The Taoists called this type of activ­i­ty wu-wei, or effort­less action.

Wenn wir dieses wu-wei auch nur mal als Gedanken­spiel als den „Naturzu­s­tand“ im wörtlichen Sinne ver­ste­hen – also als den Zus­tand der Welt ohne den Ein­griff eines konzep­tionell denk­enden Men­schen –, wird „das Wort“ zum Keil, der sich zwis­chen den Men­schen und diese Natur schiebt:

For the Taoists, it was con­cep­tu­al con­scious­ness that sep­a­rat­ed humans from the Tao. For the Greeks, it was only through rea­son, an essen­tial prop­er­ty of con­cep­tu­al con­scious­ness, that humans could get in touch with divin­i­ty.

Für Lent ist dieser Bruch neu­rol­o­gisch eng ver­bun­den mit der Entste­hung und dem Wach­s­tum unseres Präfrontal­en-Kor­tex, der nach aktuellem Stand in erster Lin­ie genau für diese Auf­gaben zuständig ist: uns konzep­tionell denken zu lassen, uns zu erlauben, Beloh­nun­gen aufzuschieben und langfristige Ziele auch gegen unsere unmit­tel­baren Impulse zu ver­fol­gen.

Doch genau­so wis­sen wir, dass wir genau an diesen Stellen oft nicht so gut sind, wie wir eigentlich denken und dann doch kog­ni­tive Abkürzun­gen nehmen oder basalen Reizen ver­fall­en. Aber eben nicht im Sinne eines wu-wei, das eng mit dem Prinzip des Tao ver­bun­den ist, son­dern aus ein­er ent­fremde­ten Posi­tion her­aus.

Quellen

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