Online-Plattformen erzielen Renditen, nicht Gewinne

Beim Blick auf die dys­funk­tionale Rolle, die die großen Online-Plat­tfor­men spie­len, geht es ger­ade in Deutsch­land meist um das The­ma Daten­schutz und Daten­miss­brauch. Der Kerngedanke dahin­ter ist, dass die Plat­tfor­men unangemessen viele Dat­en über ihre Nutzer*innen sam­meln und daraus einen unfairen Mark­tvorteil gewin­nen. In ihrem Paper Algo­rith­mic Atten­tion Rents: A the­o­ry of dig­i­tal plat­form mar­ket pow­er stellen Tim O‘Reilly, Ilan Strauss und Mar­i­ana Maz­zu­ca­to nun aber einen anderen Aspekt in den Mit­telpunkt: die Steuerung der Aufmerk­samkeit der Nutzer.

Dabei starten die Autor*innen bei der Beobach­tung, dass alle dom­i­nan­ten Inter­net-Plat­tfor­men in erster Lin­ie als Gate­keep­er fungieren, die auf eine Suche der Nutzer*innen vorge­blich das beste Ergeb­nis liefern – seien es Web­seit­en in der Google-Suche oder Pro­duk­te auf Ama­zon. Dieses Match­ing von Nach­frage und Ange­bot erzeugt erst­mal einen legit­i­men ökonomis­chen Wert: Es erlaubt es den Nutzer*innen, ihr knappes Geld und ihre knappe Aufmerk­samkeit möglichst effizient einzuset­zen, um mit wenig Zeitaufwand ein für sie möglichst gutes Ergeb­nis zu erzie­len. Gle­ichzeit­ig kön­nen die Anbi­eter der Pro­duk­te die Qual­itäten ihrer Waren präsen­tieren und von poten­ziellen Kund*innen gefun­den wer­den. Damit übernehmen die Plat­tfor­men eine Alloka­tions­funk­tion, die anson­sten z. B. einem Markt zukommt:

Com­plex, data-dri­ven algo­rith­mic sys­tems act as a kind of pro­pri­etary “invis­i­ble hand”, mak­ing use of immense amounts of con­sumer, pro­duc­er, and adver­tis­er infor­ma­tion to effi­cient­ly match sup­ply with demand.

Die beson­dere Sit­u­a­tion ist hier nun, dass dieser „Markt“ nicht offen funk­tion­iert, son­dern durch ein Unternehmen organ­isiert wird, dass durch den Betrieb des Mark­ts ein eigenes Gewin­nin­ter­esse ver­fol­gt. Daraus ergibt sich für diese Plat­tfor­men die Möglichkeit, nicht nur auf einem Markt einen Gewinn zu erzie­len, son­dern durch ihre Kon­trolle über den knap­pen Pro­duk­tions­fak­tor „Aufmerk­samkeit“ zusät­zlich eine stat­tliche „Ren­dite“:

Rents typ­i­cal­ly reflect con­trol over a scarce fac­tor of pro­duc­tion, which allows its hold­er to extract prof­its above a “nor­mal” rate achiev­able in a com­pet­i­tive mar­ket. These prof­its are not the result of pro­duc­tive improve­ments that grow the eco­nom­ic pie; they are a real­lo­ca­tion of eco­nom­ic val­ue from one par­ty to anoth­er as a result of some kind of mar­ket pow­er.

Die Plat­tfor­men kön­nen den Aus­tausch zwis­chen Anbieter*innen und Nutzer*innen in ein­er Form gestal­ten, die nicht diesen bei­den Grup­pen den höch­sten Nutzen ver­schafft, son­dern ihr selb­st einen möglichst hohen Gewinn ver­spricht. Anstatt also die besten „organ­is­chen“ Suchergeb­nisse zu präsen­tieren, wer­den die Ergeb­nisse der Anbi­eter gezeigt, die am meis­ten für die entsprechende Posi­tion geboten haben. Auf Ama­zon lässt sich dabei sog­ar immer mehr die Ten­denz beobacht­en, dass kaum noch Pro­duk­te angezeigt wer­den, für die nicht auch Wer­bung geschal­tet wird.

Atten­tion rents occur when a plat­form abus­es its algo­rith­mic author­i­ty and exploits its role as a trust­ed inter­me­di­a­tor to direct user atten­tion (clicks or time spent) to sub­op­ti­mal – often spon­sored – infor­ma­tion. At its core, these rents exploit users’ posi­tion­al bias in how they click, or what they view, by plac­ing this sub­op­ti­mal infor­ma­tion in users’ core atten­tion­al zone.

Für die Autor*innen sind die auf diese Weise gewonnenen Atten­tion Rents nicht legit­im, da sie wed­er den Nutzer*innen noch den Anbieter*innen Nutzen stiften. Stattdessen miss­brauchen sie aufge­bautes Ver­trauen und ent­standene LockIn-Effek­te, um eigene Inter­essen zu ver­fol­gen. Dies wiederum ist eine grundle­gende Gefahr für die Märk­te, die über diese Plat­tfor­men organ­isiert wer­den:

When the plat­form exempts its own com­pet­i­tive con­tent or ser­vices from its own algo­rithms, or when it dis­places organ­ic results with paid results, the ecosys­tem suf­fers a loss of incen­tive and reward to con­tin­ue pro­duc­ing val­ue.

Quellen

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