Ich denke nicht, ich tue – wie Gewohnheiten unser Leben bestimmen

Wir gehen gerne davon aus, dass wir jederzeit bestimmen können, was wir als nächstes tun. Und trotzdem ertappt man sich immer wieder dabei, auf einmal zum Kühlschrank gelaufen zu sein oder schon wieder auf das Handy geschaut zu haben. Mindestens ebenso wichtig wie unsere bewussten Entscheidungen sind nämlich etablierte Gewohnheiten, die wir immer und immer wieder durchführen, ohne uns dessen bewusst zu sein.

Diesen Gewohnheiten geht der us-amerikanische Journalist Charles Duhigg in seinem Buch The power of habit – Why we do what we do in life and business (dt. Die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun) nach. Dabei betont er, welchen großen Einfluss diese Gewohnheiten auf alle Bereiche unseres Lebens haben:

Most of the choices we make each day may feel like the products of well-considered decision making, but they’re not. They’re habits. And though each habit means relatively little on its own, over time, the meals we order, what we say to our kids each night, whether we save or spend, how often we exercise, and the way we organize our thoughts and work routines have enormous impacts on our health, productivity, financial security, and happiness. (S. xv-xvi)

Ohne es zu bemerken, bestimmen Gewohnheiten also über unser Leben. Wenn wir uns ihrer bewusst werden, können wie sie allerdings auch strategisch einsetzen, um gewünschte Verhaltensweisen zu etablieren und schlechte Angewohnheiten zu überwinden.

Die Architektur von Gewohnheiten

Gewohnheiten setzten sich in Duhiggs Augen im Kern aus vier Komponenten zusammen: Im Normalfall lässt sich ein Reiz identifizieren, der als Auslöser für eine bestimmte Gewohnheit dient. So fungiert beispielsweise das morgendliche Aufstehen oftmals als Auslöser für das Anschalten der Kaffeemaschine oder den Sprung unter die Dusche. Diese ausgelöste Aktivität beziechnet Duhigg als die eigentliche Routine, welche schließlich zu einer angestrebten Belohnung führt.

Etabliert werden solche Gewohnheiten durch einen Prozess, der der Konditionierung nicht unähnlich ist. Durch das möglicherweise bewusste Wiederholen bestimmter Aktivitäten in der Reaktion auf einen konkreten Reiz, lernt das Gehirn, dass auf diesen Reiz eine Belohnung folgt, und erzeugt so nach und nach ein automatisches Reaktionsmuster. Für Duhigg spielt dieses durch die Konditionierung entstehende Verlangen eine zentrale Rolle:

Only when your brain starts expecting the reward – craving the endorphins or sense of accomplishment – will it become automatic to lace up your jogging shoes each morning. The cue, in addition to triggering a routine, must also trigger a craving for the reward to come. (S. 51)

Gewohnheiten bewusst etablieren oder verändern

Macht man sich diese Struktur von Gewohnheiten – Reiz, Verlangen, Routine und Belohnung – bewusst, wird deutlich, wie diese genutzt werden kann, um ganz bewusst bestimmte Verhaltensweisen zu verändern oder neu zu etablieren:

Rather, to change a habit, you must keep the old cue, and deliver the old reward, but insert a new routine, That’s the rule: If you use the same cue, and provide the same reward, you can shift the routine and change the habit. Almost any behavior can be transformed if the cue and reward stay the same. (S. 62)

Gewohnheiten lassen sich also nicht “abschalten”, sie können aber in dem zentralen Punkt der Routine – also des eigentlichen Tuns – verändert werden. Dazu gilt es, sich des Reizes bewusst zu werden und dann, anstelle der unerwünschten Routine, mit einer anderen Aktivität zu reagieren. Diese muss jedoch wiederum dieselbe Belohnung hervorrufen, wie die zu ersetzende Routine. Der nachmittägliche Gang in die Caféteria könnte dementsprechend – wenn er in erster Linie dem Drang nach sozialem Kontakt entspringt – durch ein kurzes Schwätzchen mit den Kollegen am Wasserspender ersetzt werden.

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