Seit einiger Zeit ist die Wissenschaft Diener zweier Herren: Auf der einen Seite steht die Idee des Wissens um des Wissens willen; das hehre Ideal des neugierigen Menschen, der seine Welt verstehen möchte. Die andere Seite ist profaner. Hier geht es um das konkrete Lösen von Problemen, das Erledigen von Aufgaben und – abstrakter formuliert – um die Kontrolle über die Welt. Hier steht die Wissenschaft im Dienste einer konkreten Aufgabe, sei es der Optimierung eines Produktionsprozesses, der Bekämpfung einer Krankheit oder eines schnelleren Internets.
Besonders deutlich wurde dies in der Corona-Pandemie 2020/21, bei der Bereiche der Wissenschaft faktisch als Dienstleister für die Gesellschaft betrachtet wurden: Sie sollten möglichst sofort beantworten, wie sich das Virus überträgt, wieviele schwere Krankheitsverläufe zu erwarten sind und natürlich auch gleich einen Impfstoff entwickeln und die Verfahren zur sofortigen Massenproduktion. Mit dem etablierten Wissenschaftsystem, seiner inhärenten Unsicherheit und seinen sozialen Eigenheiten war dies jedoch nur schwer vereinbar.
Aber auch in der alltäglichen wissenschaftlichen Arbeit an den Hochschulen und Forschungsinstituten ist die unmittelbare Verwertbarkeit der Forschung ein zentrales Kriterium. Es geht dabei immer mehr um „Innovationen“ und immer weniger darum, Phänomene zu erklären oder zu verstehen. Damit geht die wichtige Trennung zwischen Forschung und Anwendung immer mehr verloren, bzw. der Fokus auf die Anwendung verdrängt die Forschung im klassischen Sinne. Wozu dazu führen kann, zeigt ein Artikel von Robinson Meyer: Solarpanels wurden in den USA an den Hochschulen „totgeforscht“, während der schnelle Übergang in die Produktion in Japan dazu geführt hat, dass hier viel schneller und konkreter optimiert und skaliert werden konnte. Eine klare konzeptionelle Trennung zwischen „Forschung“ und „Anwendung“ war hier der entscheidende Faktor – zusammen mit einem guten Timing für den entsprechenden Moduswechsel.
Schließlich ist das Kriterium der Nützlichkeit auch fest in der wissenschaftlichen Methodik verankert, die weniger auf zwingender Logik und mehr auf „nützlichen“ Vorhersagen basiert.
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