Die Krautreporter und das Crowdfunding

Vor gut zweieinhalb Wochen sind 28 deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten mit einem ehrgeizigen Projekt gestartet:

Krautreporter ist ein tägliches Magazin für die Geschichten hinter den Nachrichten. Werbefrei, gemacht für das Internet, gegründet von seinen Lesern.

Dazu sollten innerhalb von 31 Tagen 15.000 Leserinnen und Leser gefunden werden, die bereit sind, für ein Einjahresabonnement mit 60€ in Vorleistung zu gehen. Dabei erkauft der Beitrag jedoch nicht wie in einem klassischen Abonnement den Zugang zu den Artikeln, Videos und multimedialen Erzeugnissen, die frei und offen im Netz verfügbar gemacht werden sollen, sondern ein eher diffuses Set an Extras: „Mitglieder können die Texte kommentieren, haben Zugriff auf exklusive Inhalte, können die Seite bequemer nutzen, werden in Recherchen einbezogen, zu Krautreporter-Veranstaltungen eingeladen.“

Nachdem mittlerweile 18 der 31 angesetzten Tage vergangen sind, macht die erreichte Zahl von nur gut 6000 Unterstützern wenig Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss der Kampagne, auch wenn Dieter Meyeer auf den zweiten Peak an Unterstützern setzt, der überlicherweise zum Ende einer Crowdfunding-Kampagne hin einsetzt:

Bei den Krautreportern finanziere ich hingegen ein Projekt vor und wenn es ohne mich auch geklappt hätte, hätte ich mir das Geld auch sparen können (rein ökonomische Sichtweise). Kurz: Abwarten macht Sinn. Daher glaube ich, dass der zweite Peak am Ende der Crowdfunding-Phase *höher* ausfallen wird als üblich.

Die Gründe für den bislang eher enttäuschend Verlauf dieses sehr ambitionierten und von vielen Seiten gelobten Projekts werden mittlerweile umfassend diskutiert. Zusammenfassend lässt sich dabei auf jeden Fall festhalten, dass dieses Projekt nicht die starke Anfangsdynamik und den Buzz generieren konnte, wie erfolgreichere Crowdfunding-Projekte:

Der Datenjournalist sieht beispielsweise in der grundsätzlichen Herangehensweise an die Funding-Kampagne schwerwiegende Probleme, wie die technischen Grundlagen oder auch die Abwicklung der Zahlungen:

Insgesamt ist es erstaunlich, dass das Crowdfunding für das Krautreporter-Magazin recht schlecht vorbereitet wirkt. Weil erfahrene Personen daran beteiligt sind. Hätte sich nicht ein Best-Practice aus den Dutzenden erfolgreichen gelaufenen Fundings auf Krautreporter, geschweige denn bei Kickstarter oder eben bei De Correspondent ableiten lassen?

Thomas Knüwer fehlt darüber hinaus auch die Begeisterung, das Brennen für das Projekt, welches die Macher in seinen Augen nicht in ausreichendem Maße transportieren:

Nichts an ihrem Projekt ist im aktuellen Zustand begeisternd, mitreißend oder wenigstens –nehmend. Zu Beginn beugten sie sich zu 100 Prozent den Gepflogenheiten des Print-Journalismus und arbeiteten mit Vorabgeschichten und Sperrfristen, gerade als ob das Internet nicht existierte.

Einen ganz anderen Aspekt stellt Marting Weigert heraus: eine spezifisch deutsche Art mit innovativen Ideen umzugehen und diese von Beginn an äußerst kritisch zu diskutieren und ihre Qualität aufgrund einzelner Schwachstellen grundsätzlich infrage zu stellen:

Wird ein neues, herausforderndes Vorhaben angeschoben, dann müssen sich die Initiatoren darauf einstellen, dass selbst womöglich vorhandene ehrenwerte Ziele und ein eventuelles allgemeines öffentliches Interesse an der Verwirklichung nicht vor ausgedehnten, mit negativer Tonalität untermalten Analysen schützen. […] Anstelle eines “Ich find das super, wobei ihr noch …. machen könntet” heißt es dann eben “Ich bin ziemlich enttäuscht”.

Bei den Krautreportern entzündete sich dieser Kritikstil – der meines Erachtens nach auch einen großen Teil zur gegenwärtigen Lage der Piraten beiträgt –  an der recht geringen Zahl der beteiligten weiblichen Journalistinnen (6 von 28). Diese Diskussion kam bereits kurz nach dem Start der Kampagne auf und könnte durchaus dazu beigetragen haben, dass sich im Netz keine euphorische Dynamik im Bezug auf das Projekt entwickeln konnte.

Ich wünsche den Krautreportern für ihren Endspurt viel Erfolg, denn das Netz braucht neue Ideen im Bereich Online-Journalismus und gerade die explizite Ablehnung von Werbung und den dadurch geschaffenen Abhängigkeiten machen das Projekt in meinen Augen äußerst interessant. Allerding bin ich skeptisch, ob es gelingen wird, in den verbleibenden 13 Tagen noch fast 10.000 Unterstützer zu sammeln. Dafür würde es einer konzertierten Aktion und einer massiven Stärkung der Kampagne bedürfen, für die ich aktuell (leider) keine Anzeichen sehe. Aber wer weiß schon, was in den Hinterzimmern so passiert…

Auf jeden Fall zeigt sich, dass selbst Projekte, die einen offensichtlichen Nutzen versprechen und von gut vernetzten und im Netz etablierten Menschen vorangetrieben werden keine Selbstläufer sind. Crowdfunding ist und bleibt ein Finanzierungsweg, der gerade bei großen Projekten sehr stark auf eine selbstverstärkende Dynamik angewiesen ist, welche das Projekt in konzentrischen Kreisen aus dem Kern der Internetaffinen hinaus in die breite Öffentlichkeit trägt und dort viele Menschen begeistert. Das ist den Krautreportern leider nicht gelungen.

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Kommentare

Thomas 6. Mai 2015 Antworten

Hinter Projekten, die durch Crowdfunding finanziert werden sollen, steckt eine Menge Arbeit und wie hier schon erwähnt, es sind keine Selbstläufer. Wer also glaubt ohne viel Arbeit das große Geld damit zu machen, der täuscht.

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