Algorithmen ersetzen Paradigmen als dominante Form von „Regeln“

Auf den ersten Blick scheint uns der Begriff „Regel“ rel­a­tiv klar zu sein. Doch in ihrem Buch Rules: A Short His­to­ry of What We Live By zeigt die Wis­senschaft­shis­torik­erin Lor­raine Das­ton auf, dass wir hier min­destens drei Bedeu­tun­gen unter­schei­den müssen. Zudem hat sich auch die Gewich­tung dieser drei Ebe­nen verän­dert:

Die erste Ebene kommt im deutschen Begriff „Regel“ nicht so sehr her­vor, dafür aber im englis­chen „rule“ und dem ety­mol­o­gis­chen Ursprung „reg­u­la“. Hier geht es in der Lin­ie darum, einen Maßstab zu haben, anhand dessen Dinge gemessen und ver­glichen wer­den kön­nen. Hier find­et sich aber auch schon das von Das­ton immer wieder herange­zo­gene Zusam­men­spiel zwis­chen dem All­ge­me­ingülti­gen – in diesem Fall dem Maßstab – und dem Spez­i­fis­chen – in diesem Fall dem Objekt, was gemessen wird. Für ihre weit­ere Argu­men­ta­tion spielt diese Bedeu­tungsebene jedoch eine unter­ge­ord­nete Rolle.

Die zweite Ebene bezieht sich auf Regeln als konkrete Mod­elle und aus­gear­beit­ete Par­a­dig­men, an denen sich Men­schen in ihrem Han­deln und ihrem Leben ori­en­tieren. Sie chang­ieren zwis­chen All­ge­me­ingültigkeit und Spez­i­fis­chem, indem sie Ori­en­tierung und Beispiele bieten, in der konkreten Sit­u­a­tion aber keine konkrete Anweisung bieten. Hier bleibt der han­del­nden Per­son ein Freiraum und die Verpflich­tung, die Regel angemessen umzuset­zen. Diese Form war, Das­ton zufolge, lange Zeit dom­i­nant, bevor sie in den let­zten zwei- bis drei­hun­dert Jahren immer mehr durch die dritte Form ver­drängt wurde.

Diese dritte Form ist die der Algo­rith­men und Geset­ze, die in konkreten Sit­u­a­tio­nen konkrete Hand­lungss­chritte vorgeben. Hier hat die han­del­nde Per­son nur noch wenig Hand­lungsspiel­raum und sollte mech­a­nisch befol­gt wer­den. Diese Art der Regel kann wiederum nur in sehr spez­i­fis­chen Kon­tex­ten ange­wandt wer­den, doch dazu an ander­er Stelle mehr.

Das­tons zen­trales Argu­ment ist nun, dass in den let­zten zwei- bis drei­hun­dert Jahren ein Über­gang stattge­fun­den hat, bei dem die Bedeu­tung von Par­a­dig­men und Mod­ellen abgenom­men hat, während Algo­rith­men und Geset­ze deut­lich rel­e­van­ter gewor­den sind.

Quellen

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