Rassismus entstand um Sklaverei zu rechtfertigen
Ein zentrales Element der westlichen Ideengeschichte sind die Spannungen zwischen positiven menschlichen Werten wie göttlich geforderter „Moral“ oder menschlich inhärenter „Vernunft“ und dem Streben danach, nicht nur die Natur, sondern auch andere Menschen zu unterwerfen. Für Phillip Blom in seinem Buch Unterwerfung ist es gar die zentrale Aufgabe der westlichen Philosophie gewesen, diese Widersprüche aufzulösen.
Das westliche Weltbild unterscheidet klar zwischen einer menschlichen und einer „natürlichen“ Sphäre. Es sieht dabei für den Menschen die Aufgabe vor, sich diese Natur zu unterwerfen. Daher bietet es sich an, die zu unterwerfenden Menschen als Teil der Natur zu verstehen und damit zu einer stummen und ausbeutbaren Ressource zu entmenschlichen:
Sie entschied zwischen Kultur und Natur, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Recht und Rechtlosigkeit. Was oder wer als Teil der Natur beschrieben werden konnte, wurde zu einem der effektivsten und perfidesten Machtinstrumente der Geschichte.
Im Rahmen der Aufklärung wurden religiöse Rechtfertigungen nach und nach weniger wirksam, also konnte eine Unterscheidung zwischen Christen und Heiden diese Funktion nicht länger übernehmen. Gleichzeitig kam mit dem transatlantischen Sklavenhandel ein neues Unterwerfungsinstrument auf, das einer besonderen Rechtfertigung bedurfte. Dazu schreibt Blom:
Von nun an unterschieden die Gesetze der Plantageninseln zwischen Weißen und Schwarzen. Aus einer religiösen Trennlinie, die aus der europäischen Perspektive der Religionskriege und der konfessionellen Staaten Sinn ergab, wurde eine Trennung nach Hautfarbe.
Statt der Religion rückte nun also die Hautfarbe in den Fokus der Unterscheidung zwischen Mensch und Natur. Erst deshalb entstand dann das, was wir heute als Rassismus kennen:
Der Historiker Eric Williams publizierte 1944 eine Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Sklaverei für Englands Industrialisierung, die genauso auf starke Unterstützung wie entrüstete Ablehnung stieß, weil sie zwei Thesen aufstellte, nämlich dass erstens der Sklavenhandel und seine Profite die industrielle Revolution maßgeblich ermöglichten und gerade England ohne diese Einkünfte seine Textilindustrie nicht so schnell hätte aufbauen können, und zweitens, wesentlich gravierender, dass der Rassismus nicht eine Voraussetzung, sondern eine Konsequenz der Sklaverei war.