Neurowissenschaft „übersieht“ PoC

Naturwissenschaften geben sich gerne objektiv und von jeder menschlichen Verzerrung frei. Dabei ist schon lange klar, dass dies keineswegs der Fall ist, sondern sich auch hier immer und immer wieder Strukturen finden, die dafür sorgen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse – insbesondere über den Menschen – tatsächlich nur für eine kleine Gruppe von Menschen gelten; meistens weiße Männer.

Von einem solchen Mechanismus in den Neurowissenschaften berichtet Jackie Rocheleau in ihrem Artikel „Neuroscience Has a Race Problem“. Dabei wirkt der Ausgangspunkt erstmal recht harmlos: Die Sensoren des Elektroenzephalogramms, eines zentralen Messwerkzeugs der Disziplin funktionieren am besten auf dünnem und glattem Haar. Doch wer auch nur ein bisschen im Blick auf Rassismus sensibilisiert ist, merkt: Das könnte ein Problem für PoC sein, deren Haar oft dick und lockig ist. Und so ist es dann auch:

“Each step in our field for acquiring and processing our data has been optimized based on the information that we have from mainly white European descendant populations,” says Sarah Genon.

Das wäre nun weniger ein Problem, wenn zu erwarten stünde, dass Weiße und PoC ähnliche neuronale Strukturen aufweisen, aber das scheint eben nicht der Fall zu sein. Die Studien, die auch PoC einbeziehen, zeigen deutlich auf, dass die Kultur einer Gesellschaft deutlichen Einfluss auf die neuronale Aktivität hat.

Ein zentrales Ergebnis der Neurowissenschaften sind die Korrelationen zwischen bestimmten Handlungsweisen, Gefühlen oder Gedanken und den Bereichen, die dabei im Gehirn aktiv sind. Genau diese Verknüpfung scheint nun aber stark kulturell geprägt zu sein, ohne dass dies in der Disziplin weithin bekannt wäre.

Und so tun wir mal wieder so, als wäre der weiße Mann der Prototyp des Menschen und alle anderen nur Variationen dieses Themas. Grundlegende Unterschiede gehen dabei verloren und das kann großen Schaden anrichten, spätestens wenn es in die medizinische Anwendung geht.

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