Intelligenz ist eine tautologische Abgrenzung zwischen Mensch und Natur

Wir Men­schen haben uns zu großen Teilen halb­wegs damit abge­fun­den, dass wir gemein­same Vor­fahren mit den heute leben­den Affen haben und im Kern dann auch doch nur eine spez­i­fis­che Art Tier in einem kom­plex­en Stamm­baum. Trotz­dem ziehen wir eine sehr scharfe Gren­ze zwis­chen „uns“ und der „Natur“. Ger­ade in der Abgren­zung gegenüber anderen Tieren ist dabei unsere vorge­bliche Intel­li­genz maßge­blich – unsere Fähigkeit, neuar­tige sowie kom­plexe Prob­leme zu lösen und uns mit anderen Exem­plaren unser­er Gat­tung abzus­tim­men. Die Natur nehmen wir hinge­gen als Auto­mat­en wahr, der ein­fach nur ein vorgegebenes Pro­gramm abspult.

Doch diese Wahrnehmung ist grundle­gend falsch, wie Jere­my Lent in seinem Buch The Web of Mean­ing aufzeigt. Auch unter Pflanzen, Tieren und Pilzen gibt es eine extrem hohe Kom­pe­tenz, kom­plexe Prob­leme zu lösen, sich auf verän­derte Umstände einzustellen und auch sich untere­inan­der abzus­tim­men, um gezielt und gemein­sam vorzuge­hen. Von einzel­nen Zellen bis hin zu Bäu­men und gigan­tis­chen Pilz-Net­zw­erken find­et sich auch hier eine klare Inten­tion­al­ität, die auf ein bes­timmtes Inter­esse aus­gerichtet ist. So schreibt Lent:

Some­thing every cell on Earth has in com­mon is that it is a liv­ing enti­ty, act­ing pur­pose­ful­ly to main­tain and prop­a­gate its life. It is not, as Descartes and Dawkins would have us believe, a machine. No mat­ter how com­pli­cat­ed a machine might be, it doesn’t pos­sess intrin­sic inten­tion­al­i­ty, which is the defin­ing char­ac­ter­is­tic of cells.

Die zen­trale Beson­der­heit von Men­schen liegt dabei nicht in der Fähigkeit, Prob­leme zu lösen, beson­ders kom­plexe Prob­leme zu lösen oder Prob­leme beson­ders gut zu lösen. Er beste­ht alleine in der spez­i­fis­chen Form des Denkens, dem konzep­tionell-ratio­nalen Denken, das in der fer­nöstlichen wie der europäis­chen Philoso­phie im Kern der Men­schlichkeit ste­ht. Während „wir“ im West­en darin eine Über­legen­heit erken­nen, sieht die östliche Philoso­phie darin eine Art Ursünde der Ent­frem­dung der Men­schen von der Welt.

Lent beschreibt hier eine beson­dere Form der Abgren­zung und Selb­stüber­höhung des west­lichen Men­schen­bildes, die er unter anderem auf Descartes zurück­führt. Diese läuft let­ztlich auf eine zirkuläre Argu­men­ta­tion hin­aus, die sich gegenüber jedem Wider­spruch abschot­tet:

This is a clas­sic Carte­sian ruse: define a qual­i­ty in terms of human behav­ior, then claim oth­er ani­mals don’t have it because they’re not human.

Mich erin­nert das sehr an eine ähn­liche Argu­men­ta­tion, mit der die west­liche Philoso­phie im 16. Jahrhun­dert sicherzustellen ver­suchte, dass Ideen und Welt­bilder aus dem „neu ent­deck­ten“ Ameri­ka als vor­mod­ern und damit min­der­w­er­tig abgestem­pelt wer­den kon­nten – siehe dazu Anfänge von David Grae­ber und David Wen­grow.

Einen Ausweg aus dieser Tau­tolo­gie bietet Anto­nio Dama­sio, der die klare Unter­schei­dung zwis­chen ratio­naler Intel­li­genz und emo­tionalen Gefühlen aufhebt und bei­den dieselbe spez­i­fis­che Funk­tion für biol­o­gis­che Organ­is­men von der Zelle bis zum Men­schen zuschreibt:

As Anto­nio Dama­sio puts it, ‘we can think of feel­ings as men­tal deputies of home­osta­sis’. At the very root of all ner­vous sys­tem activ­i­ty, includ­ing all that is con­ven­tion­al­ly viewed as intel­li­gent behav­ior, are feel­ings. (Zitat aus Jere­my Lent, Web of Mean­ing).

Lent zielt schließlich darauf ab, der spez­i­fisch men­schlichen konzep­tionellen Intel­li­genz eine bis­lang in erster Lin­ie der Natur zugeschriebene „belebte“ Intel­li­genz an die Seite zu stellen, ohne dabei eine sys­tem­a­tisch über die andere zu erheben.

Con­ven­tion­al biol­o­gists, such as James Gould, fre­quent­ly describe this as instinct-dri­ven ‘pro­gram­ming’ and con­trast it to ‘gen­uine’ ratio­nal intel­li­gence: after all, the bear isn’t check­ing the cal­en­dar, cal­cu­lat­ing the num­ber of months she’ll be in hiber­na­tion and work­ing out her meta­bol­ic rate. But she’s exhibit­ing high­ly intel­li­gent behav­ior that reli­ably accom­plish­es the same goal, based on ani­mate, rather than con­cep­tu­al, intel­li­gence.

Inter­es­sant ist hier die Par­al­lele zur aktuellen Diskus­sion um „kün­stliche Intel­li­genz“, die einen drit­ten Weg der Prob­lem­lö­sung beschre­it­et und von vie­len auch als „intel­li­gent“ wahrgenom­men wird. Auch hier ste­ht das Pro­dukt der Intel­li­gen­zleis­tung im Mit­telpunkt und weniger der konkrete Ein­satz ein­er klar definierten Ressource „Intel­li­genz“ in deren Entste­hung­sprozess.

Quellen

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