Fußball in der Krise?

Fußball als beliebteste Sportart der Welt und Ersatzreligion für hunderttausende Menschen zu bezeichnen ist eine Binsenweisheit. Auch ich war Fußballfan, bin es wahrscheinlich immer noch. Aber das Unbehagen mit dieser diffusen Mischung aus Sport und Unterhaltungsmaschine wächst. Und nicht nur bei mir, der ich als Kind des Ruhrgebiets mit der mythischen Verklärung des Fußballs aufgewachsen bin.

Immer mehr Clubs in allen großen europäischen Ligen werden von Großinvestoren finanziert. Die Ablösesummen explodieren. Und Großveranstaltungen werden an – sagen wir es vorsichtig – politisch und menschenrechtlich zweifelhafte Staaten vergeben. Damit verliert der „Sport“ seinen Mythos und damit auf Dauer auch seine Legitimität.

So schildert Christian Bartlau in einem lesenswerten Rant das Zerbrechen seiner Liebe zum Fußball:

Ich will nicht zurück in die Neunziger. Aber ich will einen anderen Fußball. Deswegen bin ich raus. Tschüss, Profifußball. Keine Bundesliga mehr. Keine Champions League. Und schon gar keine Nations League. Diese Liebesgeschichte endet hier.

Mir geht es ähnlich. Ich war nie regelmäßig in Essen oder Dortmund im Stadion – aber halt immer mal wieder. Jetzt schaue ich immer seltener ein Live-Spiel im Fernsehen oder bemühe mich darum, doch noch an eine Karte für das Westfalenstadion zu kommen. Ich verfolge höchstens mal noch eine Radiokonferenz oder den Liveticker. Und damit scheine ich keineswegs alleine. So berichtet Sascha von Schwatzgelb davon, dass selbst der Dortmunder „Tempel“ immer seltener wirklich ausverkauft ist und hat eine ganz klare Diagnose:

Alles zusammen genommen sorgt für ein Klima, bei dem der Fan immer weniger bereit ist, sich vorschreiben zu lassen, was er denn gefälligst zu akzeptieren habe und was nicht. Die Vereine und Verbände haben den sprichwörtlichen „Kunden“ immer nur als Geldkuh betrachtet, die es zu melken gilt und erfahren jetzt das, was in anderen Branchen schon längst bekannt ist: wer an den Wünschen und Anforderungen des Kunden vorbei handelt, verliert sie.

Dennoch funktioniert der Markt Fußball, wie der ebenfalls desillusionierte Paul Linke festhält:

Wenn Fußball nur noch ein Produkt ist, dann, immerhin, ist es das beste, das es jemals gab. Deshalb kaufen wir es. Deshalb schalten wir ein, vier WM-Wochen lang, und machen die Quoten. Wir sind indirekt die Geldgeber des Fußballs. Dafür verlangen wir den Glanz. Es würde ja niemand auf die Idee kommen, in einem Restaurant das Steak von vorgestern zu bestellen und dazu ein extra schales Bier aus den Sechzigern.