Empathie ist relevanter als eine „Theory of Mind“

Ein zen­traler Maßstab darin, die Intel­li­genz nicht-men­schlich­er Tiere zu messen und zu bew­erten, ist die soge­nan­nte The­o­ry of Mind, also die Fähigkeit zu wis­sen, dass andere Wesen andere Dinge wis­sen, als man selb­st. Bei kleinen Kindern kann man das Fehlen ein­er solchen The­o­ry schön beobacht­en, wenn sie sich beim Ver­steck­en-Spie­len ein­fach die Hände vor die Augen hal­ten – getreu dem Mot­to: „Wenn ich dich nicht sehen kann, kannst du mich auch nicht sehen.“

Bei Kindern entste­ht diese Fähigkeit im Regelfall zwis­chen dem drit­ten und dem fün­ften Leben­s­jahr, bei aus­gewach­se­nen Tieren gilt sie hinge­gen als Maßstab für ein beson­deres Maß an Intel­li­genz. Dabei wis­sen wir von den üblichen Verdächti­gen mit­tler­weile gut, dass sie über diese Fähigkeit ver­fü­gen. Für Frans de Waal ist in seinem Buch Are We Smart Enough to Know How Smart Ani­mals Are? jedoch eine andere Fähigkeit viel rel­e­van­ter – ger­ade wenn wir ver­suchen, nicht-men­schliche Intel­li­genz nicht nach einem men­schlichen Maßstab zu bew­erten, son­dern vor dem Hin­ter­grund von Intel­li­genz als uni­ver­salem und gradu­ellen Phänomen. Hier kommt sein­er Ansicht nach der Empathie eine wesentlich zen­tralere Rolle zu:

Human empa­thy is a crit­i­cal­ly impor­tant capac­i­ty, one that holds entire soci­eties togeth­er and con­nects us with those whom we love and care about. It is far more fun­da­men­tal to sur­vival, I’d say, than know­ing what oth­ers know. But since it belongs to the large sub­merged part of the iceberg—traits that we share with all mammals—it doesn’t gar­ner the same respect.

Soziale Inter­ak­tion beruht aus dieser Per­spek­tive nur sekundär auf ratio­naler und konzep­tioneller Über­legung, son­dern auf emo­tionaler Verbindung und der Sorge um- und füreinan­der. Und die zeigen nicht nur Kinder wesentlich früher, sie find­et sich auch bei ein­er deut­lichen größeren Band­bre­ite an Tieren:

In chil­dren, an under­stand­ing of needs and desires devel­ops years before they real­ize what oth­ers know. They read “hearts” well before they read minds. This sug­gests that we are on the wrong track in phras­ing all this in terms of abstract think­ing and the­o­ries about oth­ers.

Für mich kommt dabei auch ein Aspekt wieder ins Spiel, den Jere­my Lent in Anlehnung an Anto­nio Dama­sio anbringt: Das men­schliche Han­deln basiert in erster Lin­ie auf Gefühlen, gegenüber denen der konzep­tionelle Ver­stand lediglich eine recht­fer­ti­gende und nur manch­mal kon­trol­lierende Rolle spielt. Für das prak­tis­che Han­deln und die prak­tis­che Intel­li­genz wer­den damit auch die Gefüh­le ander­er deut­lich wichtiger, als deren konzep­tionelles Denken.

Quellen

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