Tiere leben in der Vergangenheit, dem Jetzt und der Zukunft

Ein weit­er­er Punkt, der oft ins Feld geführt wird, um die Intel­li­genz von Men­schen von der nicht-men­schlich­er Tiere abzu­gren­zen, ist die zeitliche Ori­en­tierung und Pla­nung ihres Denkens. Das Argu­ment geht dabei so, dass nur Men­schen in der Lage seien, Pläne zu tre­f­fen, die weit in die Zukun­ft wirken und dafür auch unmit­tel­bare Beloh­nun­gen aufzuschieben. Dieses Motiv find­et sich in gewiss­er Form auch bei Jere­my Lent, der der belebten Intel­li­genz eine Beschränkung auf das Jet­zt zuschreibt und vorauss­chauen­des und zurück­blick­endes Denken der konzep­tionellen oder ratio­nalen Intel­li­genz zuschreibt.

Dies ist jedoch nur dann wider­sprüch­lich, wenn man es für unmöglich hält, dass Tiere auch über konzep­tionelle Intel­li­genz ver­fü­gen. Hier wider­spricht Frans de Wall in seinem Buch Are We Smart Enough To Know How Smart Ani­mals Are? jedoch deut­lich:

Long-range future ori­en­ta­tion is also com­mon, such as when dur­ing a drought the matri­arch of an ele­phant herd remem­bers a drink­ing hole miles away that no one else knows about. The herd sets out on a long trek, tak­ing days to reach pre­cious water. While the matri­arch oper­ates on the basis of knowl­edge, the rest of the herd oper­ates on the basis of trust. Whether it is a mat­ter of sec­onds or days, ani­mal behav­ior is not only goal- but also future-ori­ent­ed. (S. 205)

Dabei sind nicht-men­schliche Tiere grund­sät­zlich auch in der Lage, auf unmit­tel­bare Beloh­nun­gen zu verzicht­en, um in der Zukun­ft einen größeren Ertrag zu erzie­len – eine weit­ere Kom­pe­tenz, die oft­mals als spez­i­fisch men­schlich gese­hen wird:

The apes pre­ferred a tool they could use in the future over a grape placed right next to it. They sup­pressed their desire for an imme­di­ate ben­e­fit to gam­ble on a future one. Once they had the right tool in hand, how­ev­er, and got a sec­ond pre­sen­ta­tion of the same set of tools, they did pick the grape. Clear­ly, they didn’t val­ue the tool over any­thing else, because if they did, their sec­ond choice should have repli­cat­ed the first. The apes must have real­ized that once they had the right tool in hand, there was no point hav­ing a sec­ond one of the same kind, and that the grape was a bet­ter choice.

Tiere kön­nen aber nicht nur in die Zukun­ft pla­nen und denken, son­dern auch in die konkrete Ver­gan­gen­heit. Wie zahlre­iche Exper­i­mente zeigen, ler­nen Tiere nicht nur langfristig im Sinne ein­er Kon­di­tion­ierung über Ver­hal­ten und Beloh­nung. Sie kön­nen sich an ganz konkrete Ereignisse in der Ver­gan­gen­heit erin­nern, Ver­gle­iche zu ihrer aktuellen Sit­u­a­tion her­stellen und auf der Grund­lage dieser Erin­nerun­gen han­deln. Dies zeigt sich beispiel­sweise darin, dass sie auch nach langer Zeit Men­schen wieder­erken­nen, denen sie nur ein­mal begeg­net sind, und darin, dass sie sich konkret erin­nern kön­nen, welche Vor­räte sie wann und wo angelegt haben:

This study was quite inge­nious and includ­ed a few addi­tion­al con­trols, lead­ing the authors to con­clude that jays recall what items they have put where and at what point in time. They remem­bered the three W’s of their actions. (S. 211)

An diesen Beispie­len zeigt sich deut­lich, dass Tiere keineswegs „im Jet­zt gefan­gen“ sind, son­dern in ihrem Denken und Han­deln ähn­lich kom­plexe Bezüge zu Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft aufweisen, wie wir Men­schen. Es mag hier immer noch einen gradu­ellen Unter­schied im Aus­maß dieser Fähigkeit­en geben, aber eben keinen qual­i­ta­tiv­en Unter­schied in den grund­sät­zlichen Möglichkeit­en. Eine weit­ere Ähn­lichkeit, bei der es „uns Westler*innen“ schw­er­fällt, sie anzuerken­nen:

While restraint is appar­ent to any­one in dai­ly con­tact with ani­mals, West­ern thought hard­ly rec­og­nizes the abil­i­ty. Tra­di­tion­al­ly, ani­mals are depict­ed as slaves of their emo­tions. It all goes back to the dichoto­my of ani­mals as “wild” and humans as “civ­i­lized.” Being wild implies being undis­ci­plined, crazy even, with­out hold­ing back.

Quellen

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