Technofeudalismus in der Automobilindustrie

Für die Auswüchse des tech­nol­o­gisch basierten Kap­i­tal­is­mus gibt es aktuell ver­mut­lich keine bessere Lek­türe als den täglichen(!) Blog von Cory Doc­torow. In einem aktuellen Beitrag über die Autoen­shit­ti­fi­ca­tion wid­met er sich der Frage, warum die Auto­her­steller ihre Pro­duk­te immer weit­er dig­i­tal­isieren, auch wenn genau diese Verän­derun­gen bei den Kund*innen zu großen Frust führen. Neben seinem eige­nen Begriff der „Enshit­ti­fi­ca­tion“ nutzt er dabei auch eine For­mulierung, die der ehe­ma­lige griechis­che Finanzmin­is­ter Yanis Varo­ufakis geprägt hat: „Tech­no-Feu­dal­is­mus“:

But under tech­nofeu­dal­ism, con­trol comes from rents (own­ing things), not prof­its (sell­ing things).

Die Grun­didee des Kap­i­tal­is­mus ist der Verkauf von Din­gen oder auch Arbeit­szeit, der im Gegen­zug mit Geld ent­lohnt wird. Die ersten Kap­i­tal­is­ten stell­ten sich dabei expliz­it gegen die „rents“, die beispiel­sweise der Adel durch seinen ererbten Landbe­sitz ein­fahren kon­nte:

The first cap­i­tal­ists hat­ed rent. They want­ed to replace the „pas­sive income“ that landown­ers got from tax­ing their serfs‘ har­vest with active income from enclos­ing those lands and graz­ing sheep in order to get wool to feed to the new tex­tile mills. They want­ed active income – and lots of it. […] The „free mar­ket“ of Adam Smith wasn’t a mar­ket that was free from reg­u­la­tion – it was a mar­ket free from rents

Doch heutzu­tage wer­den große Ver­mö­gen eben nicht mehr auf kap­i­tal­is­tis­che Weise ange­häuft – also über die Pro­duk­tion und den Verkauf von Waren oder Dien­stleis­tun­gen –, son­dern auf eine feu­dal­is­tis­che Weise über das beste­hende Ver­mö­gen und den abstrak­ten An- und Verkauf von kom­plex­en Finanzpro­duk­ten und Nießbrauch­srecht­en.

Dies äußert sich zum einen in der beson­deren Macht­po­si­tio­nen im „Choke­point Cap­i­tal­ism“, und zum anderen in der zunehmenden Ent­fer­nung der Finanzmärk­te von der realen, wertschöpfend­en Wirtschaft:

Don’t dri­ve a cab, cre­ate Uber and extract val­ue from every dri­ver and rid­er. Bet­ter still: don’t found Uber, invest in Uber options and extract val­ue from the peo­ple who invest in Uber. Even bet­ter, invest in deriv­a­tives of Uber options and extract val­ue from peo­ple extract­ing val­ue from peo­ple invest­ing in Uber, who extract val­ue from dri­vers and rid­ers. Go meta.

Und hier kommt dann wieder die Auto­mo­bilin­dus­trie ins Spiel, die eine der ersten war, sich auf umfassende Weise zu wan­deln und ihr Geld in erster Lin­ie über Finanzpro­duk­te zu ver­di­enen und nicht direkt über den Verkauf ihrer Pro­duk­te:

This is the rea­son that automak­ers are will­ing to enshit­ti­fy their prod­ucts so com­pre­hen­sive­ly: they were one of the first indus­tries to decou­ple rents from prof­its. Recall that the rea­son that Big Car need­ed bil­lions in bailouts in 2008 is that they’d rein­vent­ed them­selves as loan-sharks who inci­den­tal­ly made cars, lend­ing mon­ey to car-buy­ers and then „secu­ri­tiz­ing“ the loans so they could be trad­ed in the cap­i­tal mar­kets.

Siehe dazu auch: Gesellschaftliche Hacks kön­nen auf sehr unter­schiedlichen Ebe­nen anset­zen

Quellen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert