Drei Ideen aus „Selbst im Spiegel“ von Wolfgang Prinz [mit Video]

Wir alle glauben, ihn zu haben: einen eige­nen, weitest­ge­hend freien Willen. Wir alle denken von uns als Per­son und als Ich. Doch woher kommt dieses Ich eigentlich, dass gle­ichzeit­ig neben sich ste­hen kann und gerne Schoko­lade essen würde? Dieser Frage geht der Kog­ni­tion­swis­senschaftler Wolf­gang Prinz in seinem Buch Selb­st im Spiegel nach und kommt dabei zu über­raschen­den Schlussfol­gerun­gen:

  1. Unsere eigene Hand­lungss­teuerung und die Wahrnehmung und Inter­pre­ta­tion des Han­delns ander­er basieren auf densel­ben men­tal­en Mustern. Damit ver­wirft Prinz die Idee, dass wir einen priv­i­legierten Zugang zu unserem Denken und Han­deln haben. Über das was wir tun und warum wis­sen wir dem­nach nicht mehr als über das Han­deln ander­er. Damit macht Prinz den Weg frei zu ein­er zweit­en, äußerst span­nen­den Schlussfol­gerung:
  2. Wir ver­ste­hen andere nicht nur dadurch, dass wir von uns auf sie über­tra­gen (du bist wie ich), son­dern auch indem wir von ihnen auf uns über­tra­gen (ich bin wie du). Diese Idee lässt uns als Ich hin­ter unsere Wahrnehmung ander­er zurück­treten. Ins­beson­dere solange wir in unser­er Entwick­lung noch kein starkes Ich aus­ge­bildet haben. So mod­el­liert Prinz Lern­prozesse, die über reine Kon­di­tion­ierung hin­aus­ge­hen aber auch nicht auf die Fähigkeit zu umfassender kog­ni­tiv­er Ver­ar­beitung angewiesen sind.
  3. Wenn andere uns spiegeln unter­stellen wir ihnen eine bewusste Absicht (die nicht unbe­d­ingt gegeben sein muss) und kom­men so dazu, uns auch selb­st als bewusst Han­del­nde zu ver­ste­hen. Der zen­trale Twist in der Argu­men­ta­tion, mit der Prinz die Entste­hung der bewussten Absicht aus der (wieder­holten) Inter­ak­tion zweit­er nicht zwangsläu­fig absichtsvoller Wesen erk­lärt. Alleine die Unter­stel­lung, der andere han­dele absichtsvoll sorgt dafür, dass sich ein entsprechen­des Muster etablieren kann, dass dann schließlich auch das eigene Han­deln prä­gen kann.

Wegen der doch sehr abstrak­ten und the­o­retis­chen Materie ist das Buch rel­a­tiv tech­nisch und sehr klein­schrit­tig geschrieben, es lohnt sich aber, sich mit den Argu­menten von Prinz auseinan­derzuset­zen. Er zeigt auf, wie das bewusste und absichtsvoll han­del­nde Ich als soziale Kon­struk­tion ver­standen wer­den kann und weist so einen Ausweg aus der Frage nach dem Ursprung des freien Wil­lens. Auf diese Weise betont er die unbe­d­ingte Sozial­ität des Men­schen und weist den mod­er­nen Indi­vid­u­al­is­mus auf seine Gren­zen hin. Das freut den Sozi­olo­gen in mir.

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Quellen

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