Drei Ideen aus „Selbst im Spiegel“ von Wolfgang Prinz [mit Video]

Wir alle glauben, ihn zu haben: einen eigenen, weitestgehend freien Willen. Wir alle denken von uns als Person und als Ich. Doch woher kommt dieses Ich eigentlich, dass gleichzeitig neben sich stehen kann und gerne Schokolade essen würde? Dieser Frage geht der Kognitionswissenschaftler Wolfgang Prinz in seinem Buch Selbst im Spiegel nach und kommt dabei zu überraschenden Schlussfolgerungen:

  1. Unsere eigene Handlungssteuerung und die Wahrnehmung und Interpretation des Handelns anderer basieren auf denselben mentalen Mustern. Damit verwirft Prinz die Idee, dass wir einen privilegierten Zugang zu unserem Denken und Handeln haben. Über das was wir tun und warum wissen wir demnach nicht mehr als über das Handeln anderer. Damit macht Prinz den Weg frei zu einer zweiten, äußerst spannenden Schlussfolgerung:
  2. Wolfgang Prinz: Selbst im Spiegel (Suhrkamp 2013)
    Wolfgang Prinz: Selbst im Spiegel (Suhrkamp 2013)

    Wir verstehen andere nicht nur dadurch, dass wir von uns auf sie übertragen (du bist wie ich), sondern auch indem wir von ihnen auf uns übertragen (ich bin wie du). Diese Idee lässt uns als Ich hinter unsere Wahrnehmung anderer zurücktreten. Insbesondere solange wir in unserer Entwicklung noch kein starkes Ich ausgebildet haben. So modelliert Prinz Lernprozesse, die über reine Konditionierung hinausgehen aber auch nicht auf die Fähigkeit zu umfassender kognitiver Verarbeitung angewiesen sind.

  3. Wenn andere uns spiegeln unterstellen wir ihnen eine bewusste Absicht (die nicht unbedingt gegeben sein muss) und kommen so dazu, uns auch selbst als bewusst Handelnde zu verstehen. Der zentrale Twist in der Argumentation, mit der Prinz die Entstehung der bewussten Absicht aus der (wiederholten) Interaktion zweiter nicht zwangsläufig absichtsvoller Wesen erklärt. Alleine die Unterstellung, der andere handele absichtsvoll sorgt dafür, dass sich ein entsprechendes Muster etablieren kann, dass dann schließlich auch das eigene Handeln prägen kann.

Wegen der doch sehr abstrakten und theoretischen Materie ist das Buch relativ technisch und sehr kleinschrittig geschrieben, es lohnt sich aber, sich mit den Argumenten von Prinz auseinanderzusetzen. Er zeigt auf, wie das bewusste und absichtsvoll handelnde Ich als soziale Konstruktion verstanden werden kann und weist so einen Ausweg aus der Frage nach dem Ursprung des freien Willens. Auf diese Weise betont er die unbedingte Sozialität des Menschen und weist den modernen Individualismus auf seine Grenzen hin. Das freut den Soziologen in mir.

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