Klassische Ökonomie ist eng mit Religion verwandt
In seinem Buch Unterwerfung skizziert Phillip Blom den kapitalistischen Markt als die aktuell dominierende Form, mit deren Hilfe wir Menschen rechtfertigen, uns die Welt zu unterwerfen. Er sieht dabei insbesondere die neoliberale Ökonomie in der besten Tradition der westlichen Kanon-Philosophie – geübt darin, fundamentale Widersprüche rhetorisch zu überdecken:
Nach den Apologeten der Religion kamen die Apologeten des Marktes, Erben der Theologen und Historiker und Professoren, die sich schon lange darin geübt hatten, manifeste Widersprüche kunstvoll in schöne Bilder zu verwandeln.
Er sieht im „Markt“ die direkte Fortsetzung der Reihe von Religion, Vernunft, Hautfarbe und Wahrheit, die das christliche Bild der menschlichen Dominanz über die „Natur“ anders verpackt, im Kern aber beibehält:
Die wichtigste ökonomische Schule des Westens hielt an einem Menschenbild fest, das direkt aus den theologischen Traktaten des Mittelalters oder der Frühen Neuzeit zu stammen scheint und wissenschaftliche Erkenntnisse ihrer eigenen Gegenwart völlig ignorierte.
Er schildert dies unter anderem sehr prägnant in der folgenden Formulierung, in der er enge Parallelen zwischen der christlichen Predigt und der kapitalistischen Werbung zieht.
Die »Verbraucherin«, die von morgens bis abends von Bildern und Botschaften umgeben ist, in denen ihr ihre eigene Unzulänglichkeit und die Existenz einer besseren Welt voller idealer, glücklicher, junger, reicher, zufriedener und attraktiver Menschen suggeriert wird, ist nicht so weit entfernt von der Bäuerin vor fünfhundert Jahren, die eine Variation dieser Botschaften von den Heiligenbildern in der Kirche bekam, die ebenfalls von einer besseren Welt und einer höheren Art von Leben sprachen.
Diese Perspektive macht es uns vielleicht einfacher zu verstehen, warum wir uns als Gesellschaft so schwer damit tun, eine nicht-kapitalistische Welt zu denken, auch wenn uns dessen Widersprüche immer deutlicher offenbar werden.