KI lindert Symptome, löst aber keine Probleme

Der Ein­satz von „kün­stlich­er Intel­li­genz“ in zahlre­ichen Bere­ichen dient oft in erster Lin­ie dazu, Symp­tome abzuschwächen, um nicht die eigentlichen Prob­leme lösen zu müssen.

KI in der Kommunikation

Ein solch­es Beispiel sind gen­er­a­tive KI-Mod­elle, die aus Stich­punk­ten län­gere Texte machen –beispiel­sweise bei der Erstel­lung von Pro­jek­tbeschrei­bun­gen oder in E‑Mails. Das Prob­lem dabei ist: Wenn es reicht, dass eine KI den Text kün­stlich auf­bläht, steckt dort keine zusät­zliche Infor­ma­tion drin – zumin­d­est keine, die gen­uin mir als Autor zuzurech­nen wäre. Die hinzuge­fügte Infor­ma­tion ist gener­isch, besten­falls unkonkret und schlimm­sten­falls nicht auf den Kon­text angepasst oder sog­ar falsch.

Ich mache das dann nur, um eine bes­timmte for­male Anforderung zu erfüllen, nicht um ern­sthaft zu kom­mu­nizieren. Eigentlich sollte es in diesem Zusam­men­hang reichen, eben den Stich­punkt zu kom­mu­nizieren. Wenn ich selb­st weit­ere Infor­ma­tio­nen habe, muss ich sie auch selb­st kom­mu­nizieren, oder ich nehme die Stich­punk­te als Anlass, sie gemein­sam mit meinem Gegenüber auszuar­beit­en.

Solch inhalt­sleere Texte sind ins­beson­dere dann nötig, wenn es bürokratis­che oder ander­weit­ig tradierte Anforderun­gen gibt, die ein bes­timmtes sprach­lich­es Reg­is­ter erfordern. Anstatt nun aber den kom­plizierten Weg zu gehen und die Sinnhaftigkeit dieser Anforderun­gen zu hin­ter­fra­gen, schaf­fen wir ein kom­plex­es tech­nis­ches Sys­tem, das diese ober­fläch­lich zu erfüllen hil­ft. Das schafft zusät­zliche Kom­plex­ität, die wiederum bewältigt wer­den muss und neue Risiken kreiert.

KI und Neoliberalismus

Dieses Phänomen schließt unmit­tel­bar an ein weit­eres Prob­lem im Umgang mit Tech­nolo­gie in unser­er Gesellschaft an: den Solu­tion­is­mus, der die Lösung gesellschaftlich­er Prob­leme in der Entwick­lung und Ein­führung neuer Tech­nolo­gien sucht. Evge­ny Moro­zov beschreibt in einem Essay für die New York Times, wie unter anderem „kün­stliche Intel­li­genz“ dafür genutzt wird, es den Men­schen irgend­wie zu erle­ichtern, sich mit der mar­o­den Infra­struk­tur auseinan­derzuset­zen, anstatt dass die Infra­struk­tur in einen nutzbaren Zus­tand gebracht wird:

Its cre­ators lever­aged tech­nol­o­gy to influ­ence the demand side (the rid­ers), see­ing struc­tur­al changes to the sup­ply side (like rais­ing pub­lic trans­port fund­ing) as too dif­fi­cult. Tech would help make Chicagoans adapt to the city’s dete­ri­o­rat­ing infra­struc­ture rather than fix­ing it in order to meet the public’s needs.

Das sieht man zum Beispiel auch in der Arbeit mit Sys­te­men wie Microsoft-Share­Point: Hier wer­den nicht gesunde und struk­turi­erte Arbeitsweisen unter­stützt, son­dern ein­fach alles auf viele Haufen gewor­fen. Die KI find­et dann schon irgend­wie genau das, was man ger­ade braucht und sucht. So wird der Haufen größer und unüber­sichtlich­er, die Abhängigkeit von der KI wächst und wächst und schließlich weiß kein­er mehr, was da eigentlich passiert.

Der Neolib­er­al­is­mus kann so einige sein­er Schat­ten­seit­en not­dürftig übertünchen. Gle­ichzeit­ig entste­ht jedoch ein Maß an Kom­plex­ität, das immer schw­er­er zu überblick­en wird und dessen grundle­gende – in diesem Fall neolib­erale – Struk­turen immer schw­er­er zu erken­nen sind, geschweige denn grundle­gend verän­dert wer­den kön­nen. Und wieder zeigt sich, wie sich ein ide­ol­o­gis­ches Sys­tem gegen Kri­tik von außen her­metisiert und der Kap­i­tal­is­mus im Kern wet­tbe­werb­s­feindlich ist …

Quellen

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