Warum Spotify will, dass wir Playlisten hören

Die Musikin­dus­trie hat sich in den let­zten Jahrzehn­ten mehrfach grundle­gend gewan­delt: vom Verkauf vom CDs, über den Verkauf von MP3-Dateien hin zum all­ge­gen­wär­ti­gen Stream­ing via Spo­ti­fy und Co.

Auch die fun­da­men­tale Ein­heit der Musik hat sich gewan­delt: Auf Schallplat­ten und CDs wur­den in erster Lin­ie ganze Alben verkauft, bevor iTunes den (Ver-)Kauf von einzel­nen Stück­en möglich machte. Stream­ing­plat­tfor­men schwank­ten dann lange Zeit zwis­chen Alben und Einzel­stück­en, boten zumin­d­est mir aber auch nie eine Benutze­r­ober­fläche, die das Han­dling von Alben beson­ders angenehm gemacht hät­ten. Ihnen schienen also auch die Einzel­tracks lieber gewe­sen zu sein.

In den let­zten Jahren geht der Trend nun immer mehr zur Playlist, die Spo­ti­fy durch intrans­par­ente Algo­rith­men oder manuelle Auswahl erstellt. Dafür maßge­blich scheinen mir zwei aufeinan­der auf­bauende Gründe, die Rebec­ca Gib­lin und Cory Doc­torow in Choke­point Cap­i­tal­ism beschreiben:

Der erste Grund, gewis­ser­maßen die Voraus­set­zung für die Rel­e­vanz des zweit­en Grun­des, ist das Bezahlmod­ell von Spo­ti­fy gegenüber den Labels: Die Labels erhal­ten im Kern einen Anteil an den aus­gezahlten Erlösen, der dem Anteil entspricht, den ihre Künstler*innen an der gehörten Musik haben. Das Ganze wird allerd­ings auf die gesamte Hör­erschaft umgerech­net und nicht auf den einzel­nen Hören­den: Wenn ich also auss­chließlich Yann Tiersen hören würde, ist es nicht so, dass mein Geld auch nur bei Yann Tiersen bzw. seinem Label lan­det. Es wird vielmehr – wie das jedes anderen Kun­den auch – gemäß der gesamten Hör­erschaft aufgeteilt, also ver­mut­lich gehen nur 0,0000000x% meines Geldes an den Kün­stler (bzw. dessen Label), den ich in diesem Beispiel auss­chließlich höre. Das meiste Geld zahlt Spo­ti­fy also an die Künstler*innen, die über alle Hörer*innen hin­weg am meis­ten gehört wer­den.

Zudem kann Spo­ti­fy im Grunde mit jedem einzel­nen Label noch den Preis für die Musik von dessen Künstler*innen aushan­deln. Daraus ergibt nun aber, dass Spo­ti­fy ein beson­deres Inter­esse daran hat, dass die für es selb­st „bil­li­gen“ Künstler*innen beson­ders viel und beson­ders lange gehört wer­den: also pro­motet es fleißig Playlists mit dieser Musik – oder der von Künstler*innen, die sich expliz­it in das Sys­tem einkaufen – und diese sind oft so angenehm und end­los, dass sie stun­den­lang im Hin­ter­grund laufen kön­nen. Bloß nicht aneck­en, bloß nicht auf­fall­en und bloß die Hören­den nicht daran erin­nern, dass man ja auch etwas anderes hören wollen kön­nte.

Wem dieses Sys­tem schadet, ist offen­sichtlich: Es schadet unbekan­nteren und unab­hängi­gen Musiker*innen, es schadet anspruchsvoller, kantiger Musik und es bringt Spo­ti­fy das Geld ein, das sie brauchen, um Konkur­renten aus dem Markt fernzuhal­ten.

Quellen

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