Zwischen Rechtfertigung des Alten und Heterodoxie im Umgang mit dem Wandel

Ein Thema, das sich besonders durch den zweiten Teil des Buches zieht, ist der Umgang mit der Widersprüchlichkeit zwischen neuen, empirisch-basierten wissenschaftlichen Ideen und dem weiterhin vorherrschenden Christentum. Auf der einen Seite gab es einen „moderaten Mainstream“, wie ihn Jonathan Israel nennt, der heute als philosophischer Kanon der wissenschaftlichen Revolution gilt. Autoren wie Renè Descartes nutzen ihr beachtliches intellektuelles wie rhetorischen Talent, um irgendwie eine Brücke zwischen religiösem Glauben und wissenschaftlicher Erkenntnis zu schlagen. Sie wurden schon während ihrer Zeit hofiert und geschätzt, ermöglichten sie doch im Kern ein „weiter so“ im Angesicht einer sich massiv wandelnden Welt – wieder ein Motiv, dass wir in Sachen Klima von heute bestens kennen.

Die Rechtfertigungsindustrie, ursprünglich aus der Notwendigkeit entstanden, die Brutalität einer Gesellschaft mit der kompromisslosen Botschaft Jesu in Einklang zu bringen, bediente sich auch der Aufklärung als einer zeitgemäßen sozialen und philosophischen Bewegung, deren Argumente sich als immens nützlich erwiesen. Von nun an arbeiteten die emsigsten Rechtfertiger im Lager von Vernunft und Wissenschaft. Im Laufe der Jahrhunderte wurde ihre Expertise genutzt, um sehr unterschiedliche und oft auch widersprüchliche Positionen mit Theorien und Daten zu untermauern, wobei sich die treibenden Kräfte hinter diesen Thesen oft aus dem historischen Kontext und nicht aus der wissenschaftlichen Notwendigkeit erschließen.

Ein anderer intellektueller Strang fand sich eher im Untergrund in Gestalt von Autoren wie Bernardino Telesio, Paul Henri Thiry d’Holbach oder immerhin auch Francis Bacon. Sie formulierten die Widersprüchlichkeiten explizit aus und brachten sich selbst damit in Misskredit und Gefahr. Sie waren sich selbst auch sehr bewusst, warum ihre Ideen auf Widerstand stießen. Auch hier fanden sich wieder Formulierungen, wie sie auch heute im Zusammenhang mit der anstehenden Klimakatastrophe geschrieben werden könnten:

„Der menschliche Verstand zieht in das, was er einmal als wahr angenommen hat, weil es von alters her gilt und geglaubt wird, oder weil es gefällt, auch alles Andere hinein, um Jenes zu stützen und mit ihm übereinstimmend zu machen.“ (Francis Bacon)

Nicht umsonst spricht Blom hier auch von „Propaganda“ oder einer „Kaste von Apologeten“.