Schleichende Radikalisierung

Der Ter­ro­ran­schlag in Christchurch war wahrschein­lich das erste große Atten­tat, das voll­ständig in die Logik „des Inter­nets“ und der sozialen Medi­en einge­bet­tet war. Es richtete sich nicht unmit­tel­bar gegen die Opfer, son­dern war eine Per­for­mance vor dem glob­alen Pub­likum. Es sollte Gräben ver­tiefen und Men­schen auf­s­tacheln.

Diese Logik der Gewalt und des Ter­ror­is­mus im „Inter­net“ ist nur schw­er mit dem „klas­sis­chen“ poli­tis­chen oder religiösen Extrem­is­mus und Ter­ror­is­mus zu ver­gle­ichen. Sie arbeit­et nicht mit ide­ol­o­gisch gefes­tigten Ter­rorzellen, die Mit­glieder rekru­tieren und diese dann gezielte Anschläge verüben lassen. Sie funk­tion­iert viel dif­fuser und damit wesentlich schw­er­er zu fassen. Wie diese Logik funk­tion­iert beschreibt Non­Com­pete auf seinem YouTube-Kanal sehr ein­dringlich und anschaulich:

Er macht deut­lich, wie Abw­er­tung gegenüber anderen Grup­pen erst über „gren­zw­er­ti­gen“ oder „dun­klen“ Humor nor­mal­isiert wird, bevor dann nach und nach eine stärkere Radikalisierung stat­tfind­et. Das ist nicht zwangsläu­fig von ein­er konkreten Per­son durchge­plant oder auch nur den Beteiligten bewusst. Die Ide­olo­gie ver­schwindet dabei unter mehreren Ebe­nen der Ironie, des Humors und der Inter­tex­tu­al­ität und ist auf diese Weise kaum mehr ein­deutig zu bele­gen.

So wirkt nicht der einzelne Witz oder „dumme Spruch“, son­dern die Vielzahl an Per­spek­tiv­en, Memes und „Infor­ma­tio­nen“, die alle in dieselbe Rich­tung zie­len. So wirkt jed­er einzelne Akt an sich „nicht so schlimm“, lässt sich als „Aus­rutsch­er“ entschuldigen oder erlaubt, den Kri­tisieren­den als „überempfind­lich“ darzustellen.

Hier wird der indi­vid­u­al­is­tis­chen Grun­daus­rich­tung unser­er Gesellschaft ihre Gren­ze aufgezeigt: Sie kann Gewalt und Aus­gren­zung immer nur als indi­vidu­elles Han­deln ver­ste­hen und mit indi­vidu­ellen Prozessen erk­lären. Hier wirken aber keine indi­vidu­ellen, son­dern hoch-kom­plexe soziale Prozesse. Das Handw­erk­szeug, diese zu ver­ste­hen, haben aber lei­der nur wenige und so sind wir nicht in der Lage, wirk­same Gegen­maß­nah­men zu entwick­eln.

Was bleibt, ist eine Bedro­hung für unsere bis­lang rel­a­tiv offene und demokratis­che Gesellschaft.

Quellen

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