China betreibt geopolitischen „Chokepoint Capitalism“

Ehrlich gesagt, habe ich nie groß über Chi­na und seine Posi­tion in der Welt nachgedacht, auch wenn seine Bedeu­tung schon seit Jahrzehn­ten nicht mehr wegzud­isku­tieren ist. Ein wirk­lich lesenswert­er Artikel im grund­sät­zlich eben­falls sehr lesenswerten Noe­ma Mag­a­zin hat jet­zt ein wenig Bewe­gung in mein Denken gebracht: Europe Can Be A Pow­er­ful Medi­a­tor In The U.S.-China Rival­ry.

Der Autor, George Yeo, ein ehe­ma­liger Poli­tik­er aus Sin­ga­pur beschreibt, wo sich die west­liche Welt in ihrem Blick auf Chi­na täuscht und wie eine mul­ti­po­lare Wel­tord­nung mit Chi­na als einem Pol ausse­hen und entste­hen kön­nte. Als erste Voraus­set­zung dafür sieht er allerd­ings, dass der West­en Chi­na ernst nimmt und über­haupt erst­mal ver­sucht, es grundle­gend zu ver­ste­hen.

Dabei ist mir beson­ders dieser Punkt aufge­fall­en, den ich so nicht im Blick hat­te und der die Poli­tik Chi­nas in gewiss­er Weise erk­lärt – wenn auch aus west­lich­er Per­spek­tive nicht entschuldigt:

China’s homo­gene­ity did not hap­pen by chance, but nei­ther was it the result of par­tic­u­lar pol­i­cy deci­sions. Han rulers for mil­len­nia have found it dif­fi­cult to gov­ern non-Han peo­ple because they behave dif­fer­ent­ly. It is for this rea­son that China’s instinct is always to build walls around itself, not to keep its peo­ple in, but to keep for­eign­ers out.

Diese Art der Poli­tik set­zt sich bis heute fort, wenn Chi­na ver­sucht, sich in eine Posi­tion zu brin­gen, in der es sich von kein­er anderen Nation und keinem anderen „Block“ über­mäßig abhängig macht:

What the Chi­nese gov­ern­ment did under Xi Jin­ping was to pro­gres­sive­ly reduce the abil­i­ty of oth­er coun­tries to hold Chi­na to ran­som on par­tic­u­lar tech­nolo­gies, prod­ucts or raw mate­r­i­al.

Dabei nutzt Chi­na sein Mil­itär in erster Lin­ie zur Abschreck­ung, bevorzugt jedoch Diplo­matie und Wirtschaft­spoli­tik als Mit­tel. Diese Strate­gie ist nicht neu, son­dern war schon immer Kern der chi­ne­sis­chen Poli­tik und ihres Grund­satzes der Trib­ute, der nicht aus Strafzahlun­gen der trib­utären Völk­er set­zte, son­dern auf deren Anerken­nung chi­ne­sis­ch­er Über­legen­heit, die ihnen wiederum große Han­dels­gewinne ermöglichte:

When it wish­es to reward a friend­ly neigh­bor, it only needs to open the door a lit­tle wider. When it needs to pun­ish a way­ward neigh­bor, it shuts the door a lit­tle to inflict pain. In the Chi­nese mind, eco­nom­ic car­rots and sticks are a much bet­ter way to man­age for­eign rela­tions than mil­i­tary force.

Hier kommt dann der Begriff des „Choke­point Cap­i­tal­ism“ ins Spiel, den Rebec­ca Gib­lin und Cory Doc­torow geprägt haben:

Chi­na ist als Markt mit­tler­weile so groß, dass es als Kunde auf Welt­märk­ten eine zen­trale Rolle spielt und mit seinen poli­tis­chen Entschei­dun­gen gewalti­gen Ein­fluss ausüben kann. Es fungiert so in gewiss­er Weise als Monop­son­ist, den Verkäufer nicht ignori­eren kön­nen.

Gle­ichzeit­ig ist mit sein­er Pro­duk­tion­ska­paz­ität und seinen Rohstof­fen auch als Verkäufer in ein­er fast schon monop­o­lis­tis­chen Sit­u­a­tion, sodass es auch auf diese Weise glob­alen Ein­fluss ausüben und aus­bauen kann.

Das ein­genommene Kap­i­tal wiederum kann es nutzen, um seinen poli­tis­chen Ein­fluss ins­beson­dere im stetig wach­senden Afri­ka auszuweit­en, das der West­en immer noch in erster Lin­ie als hin­ter­wäld­lerisch­er Rohstof­fquelle zu ver­ste­hen scheint.

So entste­ht ein stetig wach­sender glob­aler Play­er, der seinen Ein­fluss immer weit­er ausweit­et. Wenn auch nicht im Sinne eines west­lich-kap­i­tal­is­tis­chen Impe­ri­al­is­mus, son­dern eher als Sicherung der eige­nen Autonomie und als Vertei­di­gung gegenüber den als feind­selig wahrgenomme­nen Vere­inigten Staat­en.

Auch wenn diese Erk­lärung aus mein­er Sicht kein­er­lei Recht­fer­ti­gung der Gräueltat­en der chi­ne­sis­chen Regierung bieten kann, hil­ft sie ger­ade uns in Europa zu ver­ste­hen, warum Chi­na han­delt, wie es han­delt. Und nur auf ein­er solchen Grund­lage kön­nen wir eine angemessene und strate­gisch erfol­gver­sprechende Strate­gie for­mulieren.

Quellen

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