Entropie, Emergenz und Zeit

Zwei der span­nend­sten wis­senschaftlichen Konzepte, die mir bis­lang über den Weg gelaufen sind, sind Entropie und Emer­genz. Dabei beschreibt die Entropie in der Physik das Maß der „Unord­nung“ in einem Sys­tem – beispiel­sweise das Chaos in ein­er Legok­iste.

Emer­genz hinge­gen beschreibt einen Prozess, bei dem aus ein­er Samm­lung von Teilen etwas Größeres entste­ht, das sich nicht auf die Teile reduzieren lässt: Eine Samm­lung von Buch­staben wird zu einem Text oder diverse bunte Legosteine wer­den zu ein­er Rakete.

Ein Artikel bei Aeon brachte mich jet­zt auf den Gedanken, dass bei­de Prozesse in der Zeit betra­chtet grund­sät­zlich gegen­läu­fig sind: Während Emer­genz Ord­nung auf ein­er höheren Ebene erzeugt, steigt die Entropie in einem Sys­tem im Laufe der Zeit an, wenn ihm nicht von Außen Energie zuge­führt wird. Bei­de Prozesse sind dabei eng mit dem Verge­hen von Zeit ver­bun­den – die Entropie ste­ht in der Physik teil­weise sog­ar im Zen­trum der Def­i­n­i­tion von Zeit an sich.

In dem Artikel starten die Autor*innen bei der Beobach­tung, dass kom­plexe chemis­che Moleküle nicht spon­tan entste­hen, son­dern über die Zeit hin­weg kon­stru­iert wer­den. Dabei wird die Entropie reduziert – also Ord­nung geschaf­fen. Nun beschreiben die Autor*innen einen sog. Assem­bly-Index, der die Dauer dieses Kon­struk­tion­sprozess­es beschreibt und for­mulieren damit im Grunde ein Maß für Emer­genz.

Sie verbinden diesen Index auch mit der Frage von Evo­lu­tion und Leben, da sie in Exper­i­menten gezeigt haben, dass Moleküle ab einem gewis­sen Assem­bly-Wert nur noch durch evo­lu­tionäre Prozesse entste­hen kön­nen – sie nen­nen hier den Wert 13.

Schließlich schreiben sie, dieser Ansatz verän­dere den Blick auf die Zeit grund­sät­zlich, weil sie nicht länger „nur“ ein emer­gen­ter Prozess sei, son­dern nun im Mit­telpunkt zen­traler physikalis­ch­er Prozesse stünde. Dieses Argu­ment erschließt sich mir nicht ganz, weil sie ja ger­ade Emer­genz an sich beschreiben bzw. messen. Sie definieren Zeit also nicht länger über Entropie, son­dern über Emer­genz. Zeit ist dann das Medi­um, in dem „Kon­struk­tion­sprozesse“ Emer­genz erzeu­gen und damit Entropie reduzieren.

Quellen

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