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Gefangen in der Titotalitätsmaschine

von Friedrich von Borries, Jens-Uwe Fischer

Nachdem ich das Buch, dessen zentrale Ideen ich bereits vorgestellt habe, nun endlich abgeschlossen habe, möchte ich euch meinen Gesamteindruck natürlich nicht vorenthalten: In ihrer Biographie nehmen sich die beiden Autoren Friedrich von Borries und Jens-Uwe Fischer den weniger bekannten Bauhaus-Schüler Franz Ehrlich vor und rekonstruieren sein Leben, natürlich nicht ohne auch die eine oder andere Beobachtung über dessen Umstände zu verlieren.

Dabei haben sie Franz Ehrlich in erster Linie ausgewählt, weil sich in ihm eine Spannung widerspiegelt, die im Umfeld des Bauhauses bisher nur selten thematisiert wurde: Die enge Verbindung der bauhäuslerischen Ideen mit den beiden großen Totalitätsmaschinen des 20. Jahrhunderts: den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus und der zentralen gesellschaftlichen Steuerung der „sozialistischen“ DDR. Beide entleihen sich den ursprünglichen „positiv-weltverbessernden“ Anspruch des Bauhaus und pervertieren ihn in unterschiedliche Richtungen – im Falle von Franz Ehrlich insbesondere im Hinblick auf seine architektonische Arbeit am KZ Buchenwald, erst als Gefangener, dann als Angestellter.

Es fällt auf, dass kaum jemand das schmerzhafte Zusammenkommen von Bauhaus und Buchenwald thematisiert, als solle das Bauhaus als reine weiße Projektionsfläche erhalten erhalten bleiben.

Dies gilt insbesondere in der DDR, für die das Bauhaus eines der wenigen „Identifikationsangebote jenseits von Platte und Wohnkomplex“ fungieren sollte, und als solches trotz aller ehemaligen Kritik möglichst unbefleckt bleiben sollte.

Dabei ist die Auswahl Franz Ehrlichs perfekt, um diese Spannung, weil er sich selbst nie ernsthaft positioniert hat und damit das perfekte Beispiel ist für „das Leben unter den Bedingungen der Totalitätsmaschine, ein ständiges Lavieren zwischen Anpassung und Eigenständigkeit“.

Jede*r der sich für das Bauhaus interessiert, sollte dieses Buch lesen, auch wenn es einige Verklärungen gnadenlos zerstört, aber gleichzeitig die enge Verbindung zwischen Bauhaus und den Ideologien der Zeit deutlich macht.