Handeln aus Demut, nicht aus Hybris

Die gesamte Geschichte unser­er Mod­erne ist darauf aus­gelegt, dass wir als Men­schen die Welt unter unsere Kon­trolle brin­gen – von der christlichen Idee, sich die Erde Unter­tan zu machen, über den Ide­al­is­mus, der die Welt vom Ich her denkt, bis hin zu dem aktuellen Glauben, dass wir nur die richtige Tech­nolo­gie find­en müssen, um all unsere Prob­leme zu lösen.

Aus dieser Geschichte entspringt eine tief­sitzende Überzeu­gung, dass wir Men­schen grund­sät­zlich in der Lage sind, Unheil abzuwen­den, wenn wir nur das Richtige tun. Entsprechend gestal­tet sich der Umgang pro­gres­siv­er Kräfte mit glob­alen Krisen wie der Kli­makatas­tro­phe oder dem Wieder­erwachen des Faschis­mus im „glob­alen West­en“: Es wird die Wärmewende gefordert, der Stopp von CO₂-Emis­sio­nen, angemessene Sozialpoli­tik oder bessere Bil­dung. Alles plau­si­ble Ideen, die vielle­icht tat­säch­lich dazu beitra­gen kön­nten, die Auswirkun­gen dieser Prob­leme zumin­d­est abzuschwächen.

Aber was, wenn nicht?

Was, wenn wir tat­säch­lich keine Chance mehr haben, die Erwär­mung um 1,5 Grad, 2 Grad oder auch mehr zu ver­hin­dern? Was, wenn es keinen real­is­tis­chen Weg gibt, Ron DeSan­tis als näch­sten US-Präsi­den­ten zu ver­hin­dern oder gar Bernd Höcke als Bun­deskan­zler?

Alleine diesen Gedanken zuzu­lassen, ist ein Ver­rat an unserem Men­schen­bild.

Gle­ichzeit­ig ist ein „nun ist es ohne­hin zu spät“ auch ein beliebtes Argu­ment der Geg­n­er hand­fester Maß­nah­men gegen die Kli­makatas­tro­phe und bietet frucht­baren Boden für fatal­is­tis­ches Nicht­stun.

Hier set­zt Car­los Maza in seinem sehr sehenswerten Video-Essay How to be Hope­less an: Er nutzt Albert Camus‘ Roman Die Pest als Aufhänger, um unseren men­schlichen Umgang mit über­wälti­gen­den Krisen zu analysieren und beschreibt mit Blick auf Kli­ma, Trump und Coro­na drei Reak­tio­nen:

  1. Avoid­ance – das Ignori­eren und Kleinre­den der Gefahren
  2. Scape­goat­ing – das Aufkom­men z. B. anti­semi­tis­ch­er Ver­schwörungs­the­o­rien und
  3. Fix­ing it – der Ver­such, die Prob­leme aktiv zu lösen

Dann zieht er eine sehr span­nende Par­al­lele: Diese drei Reak­tio­nen ähneln in erstaunlichem Maße den ersten drei Stufen der Trauer: Denial, Anger und Bar­gainig. Ein tat­säch­lich gefühlter Fatal­is­mus, der nicht nur als bil­lige argu­men­ta­tive Ausrede dient, wäre die vierte Stufe Depres­sion, auf die dann der Abschluss, die Accep­tance fol­gen kann.

Sein zen­traler Punkt ist dann, dass auch die gefühlte Hoff­nungslosigkeit nicht der End­punkt der Entwick­lung sein darf, son­dern aus der echt­en Akzep­tanz der Möglichkeit der Katas­tro­phe neue Hand­lungs­fähigkeit entste­ht – nur dies­mal eben nicht aus ein­er tech­nol­o­gisch-narzis­stis­chen Hybris, son­dern aus human­is­tis­ch­er Demut.

Das Ziel ist dann im Kern auch nicht mehr, die Katas­tro­phe zu ver­hin­dern, son­dern seine eigene Men­schlichkeit zu bewahren und auf der Grund­lage dieser Men­schlichkeit zu han­deln. Immer vor dem Hin­ter­grund der echt­en – und nicht nur hypo­thetis­chen – Möglichkeit des eige­nen Todes.

Quellen

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