Es braucht neue Strukturen und Tools im Internet
Die Idee, des rebuild oder reclaim the internet richtet sich darauf, die Struktur des Internets grundlegend zu verändern und wieder näher an das heranzuführen, was es Anfang der 2000er Jahre so offen und flexibel gemacht hat. Es richtet sich gegen die Kommerzialisierung und insbesondere die Monopolisierung der Infrastruktur durch einige wenige Tech-Unternehmen.
Eine wichtige Rollen spielt dabei also die Dezentralisierung der Infrastruktur und das Ausbrechen aus den monopolisierten Silos – z.B. Facebook oder Instagram.
Es gibt verschiedene Ebenen der Motivation und Rechtfertigung dieser Bewegung, mich selbst überzeugt dabei die Perspektive der Aufmerksamkeitssteuerung und der Abbildung komplexer Wissensstrukturen. So argumentiert Caufield, dass die aktuelle Struktur des Internets als Strom in erster Linie Selbstdarstellung nahelegt und nicht die Präsentation oder gar Entwicklung komplexer und differenzierter Gedanken. Die gilt jedoch nicht nur im Hinblick auf Social-Media-Plattformen, sondern auch das im Netz mittlerweile fast universelle Blog, das ebenfalls chronologisch organisiert ist.
Wichtig dabei ist allerdings, dass Nutzer:innen sich nicht auf das Lamentieren beschränken, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst aktiv dazu beizutragen. Dabei gibt es aktuell jenseits des unsäglichen Hypes zum Web 3.0 vor allem zwei relevante Bewegungen:
- Das Indieweb zielt eher technisch darauf ab, die bestehenden zentralen Plattformen überflüssig zu machen und versucht, die sozialen Medien mit Hilfe individueller Webseiten und deren Verknüpung nachzubilden. Dabei setzen die Lösungen jedoch ein gewisses Maß an technischem Wissen und auch administrativem Aufwand voraus.
- Digitale Gärten setzen hingegen an der Informationsarchitektur des Webs an und stellen den Strömen im Internet zeitunabhängig und inhaltlich strukturierte Gärten entgegen. Auch hier in ein gewisses Maß an technischem Wissen hilfreich, Tools wie Obsidian Publish machen es aber wesentlich einfacher.
Gemeinsam ist diesen Ansätzen eine Rückkehr zu altbekannter und lange etablierter Technologie: RSS und eigene autonome Webseiten. Damit rückt auch wieder der klassische Text weiter in den Mittelpunkt, dessen Renaissance Venkatesh Rao zu erkennen glaubt. Während sich dabei viele nach der Rückkehr des klassischen Blogs sehnen, argumentieren andere, die ebenfalls chronologische Architektur des Blogs sei ein Teil des Problems.