Der Individualismus bringt zahlreiche Probleme mit sich

Der Indi­vid­u­al­is­mus ist eine der grundle­gend­sten Ide­olo­gien unser­er Zeit. Egal ob es um den kap­i­tal­is­tis­chen Mythos geht, der Wohl­stand durch die indi­vidu­elle Leis­tung recht­fer­tigt, oder um die Auflö­sung ehe­mals dom­i­nan­ter und als objek­tiv gültig akzep­tiert­er Wertesys­teme wie Reli­gio­nen. Vie­len Denker:innen gilt das als unbe­stre­it­bar­er Fortschritt. Sie sind skep­tisch gegenüber sämtlichen kollek­tiv­en Sozial­for­men, die nicht das Indi­vidu­um in den Mit­telpunkt stellen. Hier scheint ihnen der einzelne unter­drückt, nicht angemessen berück­sichtigt und unberechtigter­weise in sein­er Frei­heit eingeschränkt.

Doch der Indi­vid­u­al­is­mus hat seine eige­nen Schat­ten­seit­en, die ger­ade in den let­zten Jahren immer deut­lich­er gewor­den sind. Dabei sind mir bish­er drei zen­trale Aspek­te über den Weg gelaufen, die jedoch alle auf dieselbe Grund­frage hin­aus­laufen: Wie koor­dinieren wir unser gemein­sames Leben, wenn jed­er nur an sich denken muss?

Wir Men­schen stellen uns min­destens seit der Antike die Frage nach dem guten und richti­gen Leben. Dabei sind über die Jahrhun­derte hin­weg viele kom­plexe Fra­gen for­muliert und bear­beit­et wor­den. Im Zen­trum standen dabei die großen Reli­gion­s­ge­mein­schaften, die das Leben ihrer Mit­glieder bis in das Detail bes­timmten. Unbe­stre­it­bar ist es hier zu unentschuld­baren Exzessen gekom­men, gle­ichzeit­ig boten die Richtlin­ien aber auch Ori­en­tierungspunk­te, an denen sich die Men­schen aus­richt­en kon­nten.

Heute muss jed­er einen eige­nen Weg find­en, die Frage nach dem guten und richti­gen Leben zu beant­worten und das ist eine Anforderung, die die Fähigkeit des Einzel­nen über­steigt.

Der zunehmende Indi­vid­u­al­is­mus führt auch dazu, dass die Inter­pre­ta­tion der heili­gen Schriften ver­schieden­er Reli­gio­nen nicht mehr inner­halb kollek­tiv organ­isiert­er Struk­turen wie der Kirche oder Uni­ver­sitäten stat­tfind­et. An ihre Stelle treten indi­vidu­elle Predi­ger und es kann religiös­er Extrem­is­mus entste­hen

An diesem Beispiel wird beson­ders deut­lich, wie der Indi­vid­u­al­is­mus genau solche Phänomene begün­stigt, die von Lib­ertären gerne dem Kollek­tivis­mus zugeschrieben wer­den: Er über­fordert den Einzel­nen und treibt ihn auf diese Weise in die Arme charis­ma­tis­ch­er Schar­la­tane. Damit erfüllt sich die War­nung Diderots, dass wir moralis­che Fun­da­mente nur dann unter­graben soll­ten, wenn wir ihre Funk­tion wirk­lich ver­standen haben.

Quellen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert