Deutsche Identität verlangt Unterwerfung unter die Wirtschaft

In ein­er großen Umfrage zum „Stolz auf das eigene Land“ zeigt sich in Deutsch­land eine Beson­der­heit. Hier sind es nicht die Demokratie oder die Kul­tur, die die meis­ten Stim­men auf sich vere­inen, son­dern die Wirtschaft. Extrem­is­mus­forsch­er Oliv­er Deck­er leit­et daraus im Inter­view mit der taz eine inter­es­sante Erk­lärung für den aktuellen Recht­srutsch in Deutsch­land und die erstark­ende Frem­den­feindlichkeit ab.

Seine Inter­pre­ta­tion stützt er dabei auf eine spez­i­fis­che Form der soge­nan­nten „Depri­va­tion­s­these“:

Es gibt die soge­nan­nte Depri­va­tion­s­these: Wenn Leute Abstiegsäng­ste haben, dass sie näch­stes Jahr weniger zur Ver­fü­gung haben, dann steigt in der Regel auch die Zus­tim­mung zu anti­demokratis­chen Ansicht­en. Dieser Befund gilt eigentlich in allen unter­sucht­en Län­dern. In Deutsch­land ist es aber nicht die befürchtete eigene Depri­va­tion, die zum Fremdeln mit der Demokratie führt, son­dern die nationale.

Als Erk­lärung hier­für bietet Deck­er das immer wieder zitierte deutsche „Wirtschaftswun­der“ an, das sich nach dem Hor­ror des Drit­ten Reichs als „unge­fährlich­er“ Anknüp­fungspunkt ein­er Iden­tität anbot – los­gelöst von engem Nation­al­is­mus oder auch Ras­sis­mus, erscheint die Wirtschaft als ratio­nal. Und eben auch ein Punkt, an dem andere Län­der anerken­nend auf Deutsch­land schauen.

Es geht bei der Wahrnehmung von Depri­va­tion also nicht um eine ratio­nale Abschätzung wirtschaftlich­er Entwick­lung und konkrete Erwartun­gen mit Blick auf den eige­nen Lebens­stan­dard, son­dern um eine enge Verknüp­fung der per­sön­lichen Iden­tität:

Die Wirtschaft wurde zu ein­er „sekundären Autorität“, der man sich unter­wirft, um durch Iden­ti­fika­tion an ihrer Macht und Stärke teilzuhaben.

Das Weg­brechen des wirtschaftlichen Erfol­gs schwächt diese Iden­tität und macht die gemein­same Unter­w­er­fung in die Schick­sals­ge­mein­schaft zum zen­tralen Punkt. Daran knüpft dann die erstark­ende Frem­den­feindlichkeit an und auch die Ver­ach­tung, die teil­weise links-alter­na­tiv­en und kap­i­tal­is­muskri­tis­chen Ideen ent­ge­genge­bracht wird, lässt sich so erk­lären:

Da hat jemand das schöne Leben, Glück ohne Arbeit, möglicher­weise eine erfüllte Sex­u­al­ität. Und vor allem hat er sich nicht unter­wor­fen. Men­schen, die Leben nicht leben dür­fen oder wollen, has­sen das Leben der Anderen

Vielle­icht erk­lärt sich daraus auch das voll­ständig irra­tionale Fes­thal­ten großer Teile der Gesellschaft und der poli­tis­chen Elite an den kap­i­tal­is­tis­chen Ideen und Struk­turen des 20. Jahrhun­derts: Diese Wirtschaft ist nicht nur eine Form, die Verteilung von Kap­i­tal und Waren zu organ­isieren, sie ist fes­ter Bestandteil ein­er schwachen Iden­tität.

Vielle­icht ergibt sich hier dann auch eine Verbindung zu männlich­er Iden­tität und deren enger Verknüp­fung klas­sis­ch­er Ideen der Mitte des 20. Jahrhun­derts: der Kern­fam­i­lie mit Haus­frau und dem Auto. Diese Gen­der-Iden­tität gerät ger­ade ähn­lich unter Druck wie die wirtschafts­basierte nationale Iden­tität.

Quellen

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