Open Source in der Architektur

Auch wenn ich eigentlich keinen direk­ten Bezug zur Architek­tur habe, stoße ich doch immer wieder auf diese Diszi­plin, wenn ich mich durch meine The­men bewege. Das liegt ver­mut­lich in erster Lin­ie daran, dass die Architek­tur let­z­tendlich eine Man­i­fes­ta­tion sozialer Prax­is und sozialer Beziehun­gen ist, die wiederum im Kern mein­er Herzens­diszi­plin, der Sozi­olo­gie, ste­hen. Die Sozi­olo­gie wid­met sich dabei in erster Lin­ie abstrak­ten sozialen Struk­turen und ihren man­i­festen Kon­se­quen­zen und ist dabei primär ana­lytisch aktiv.

Die Architek­tur hinge­gen schafft ganz konkrete physis­che Räume, in denen sich diese Struk­turen aus­drück­en und die diese ver­stärken. Sie ist dabei nicht nur ana­lytisch, son­dern bewusst gestal­tend und steuernd und deshalb möglicher­weise ein span­nen­der Gegen­pol.

Ger­ade in dieser Kon­struk­tion am Reißbrett und der fol­gen­den physis­chen Umset­zung liegt aber auch eines der größten Prob­leme der Architek­tur begrün­det, wenn sie mehr als Repräsen­tanz oder reine Funk­tion abbilden will, wenn sie beteili­gen, ein­beziehen und Gesellschaft par­tizipa­tiv gestal­ten möchte.

Dies ist mir per­sön­lich sehr deut­lich gewor­den, als ich im Früh­jahr 2023 im Karl­sruher ZKM die Ausstel­lung zu den Arbeit­en Ole Scheerens besucht habe, dessen Rhetorik von „urbaner Gesellschaft“ und „Räume des Lebens“ Gebäude gegenüber­standen, die – zumin­d­est der Doku­men­ta­tion der Ausstel­lung fol­gend – in erster Lin­ie dann doch für die gesellschaftliche Elite sowie kap­i­tal­is­tis­che Pro­duk­tion und Kon­sum gestal­tet waren.

Hier set­zen Daniele Bel­leri und Car­lo Rat­ti mit ihrem Artikel „The End­less Pos­si­bil­i­ties Of Open-Source Urban Design“ an. Bevor sie ihr Vorge­hen am Beispiel der koso­varischen Haupt­stadt Pristi­na vorstellen, konz­ertieren sie:

Attempts to replace top-down Mod­ernist archi­tec­ture with par­a­digms that active­ly incor­po­rat­ed the pub­lic did not fare much bet­ter. Despite their good inten­tions, the would-be pio­neers large­ly came up short.

Dabei beschreiben sie in erster Lin­ie das Prob­lem, dass klas­sis­che For­men der Beteili­gung der inter­essierten Öffentlichkeit – wie z. B. Gespräch­srun­den – schnell an Schwung ver­lieren und oft zu reinen Beschw­erderun­den verkom­men. Ihr Vorschlag ist daher ein grundle­gend ander­er:

Rather than aim­ing at any final des­ti­na­tion, open-source urban­ism priv­i­leges inex­pen­sive, open-end­ed inter­ven­tions that can devel­op in many pos­si­ble direc­tions.

Dabei geht es in ihrem Beispiel in erster Lin­ie darum, ein ver­lassenes Gelände in der Stadt wiederzubeleben und der örtlichen Gemein­schaft einen neuen, wahrhaft öffentlichen Raum zu gestal­ten. Hier verzicht­en sie auf eine zen­trale Pla­nung, son­dern schaf­fen zu Beginn einen ein­laden­den, aber nur rudi­men­tär aus­ges­tat­teten Ort, an dem die Men­schen mobiles Mobil­iar nutzen kön­nen, um je nach akutem Bedarf den Raum mit Tis­chen und Sitzgele­gen­heit­en auszugestal­ten. Diese Prax­is kön­nen die Architekt*innen wiederum beobacht­en und Schlüsse für weit­ere Iter­a­tio­nen ziehen:

When archi­tects relin­quish their dreams of total autho­r­i­al con­trol, they unlock the pow­er of tru­ly organ­ic devel­op­ment. When the process has no pre­con­ceived end, it can pro­ceed in small steps and allow for reval­u­a­tion, becom­ing more sen­si­tive to the chang­ing con­di­tions of the envi­ron­ment and the needs of peo­ple.

Ein solch­es Vorge­hen ist sicher­lich nicht eins-zu-eins auf die Pla­nung großer Baut­en wie Bahn­höfen oder Büro­ge­bäu­den zu über­tra­gen, bietet aber auch hier span­nende Denkanstöße.

Quellen

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