Zettelkästen sind keine stummen Speicher

Als Reaktion auf einen Artikel von Cal Newport sah sich Sascha Fast auf zettelkasten.de genötigt, einen offenen Brief zu schreiben, der mit einem grundlegenden Missverständnis über komplexe, vernetzte Notizsysteme wie den Zettelkasten aufräumt:

Newport addresses the claim that note systems serve to relieve the user of the work of remembering: If you have such a system, so the assumption goes, you don’t need to remember anything yourself, but simply look it up.

Dieses Bild sieht Notizen als einen Speicher außerhalb unseres Gehirns, in den wir Ideen und Gedanken auslagern und damit „Platz“ in unserem Kopf schaffen. Dann fungieren sie im Kern als Lexikon, in dem wir etwas nachschlagen, wenn wir es wieder wissen wollen. Fast beschreibt jedoch sehr schön, dass ein Zettelkasten deutlich mehr sein kann und viel enger mit unserem konkreten Denken verzahnt ist:

my brain is trained on the relationships of the ideas when working with the Zettelkasten.

Der Zettelkasten ist eben keine reine Externalisierung, sondern eher im Sinne der embodied cognition ein integraler Bestandteil des eigenen Denk- und Lernprozesses selbst. Er ist mit meinen eigenen mentalen Assoziationen aufgeladen und bildet diese so ab, dass ich mit ihnen etwas anfangen kann. Wenn ich mit ihm arbeite, lese ich nicht einfach etwas, was ich mal geschrieben habe, sondern interagiere direkt mit meinem damaligen Denken, auf eine viel direktere Art, als wenn ich den geschliffenen und veröffentlichten Text einer anderen Autorin vor mir hätte.

Fast schreibt dazu:

The difference is that with the Zettelkasten you come across ideas that you have already made your own. Each idea triggers many more associations because you have already dealt intensively with the thought in advance and recorded the process on the respective notes.

Das erinnert mich auch nochmal daran, dass ich mehr und konkreter in meinem Zettelkasten arbeiten sollte, auch neben den Artikeln wie diesen, die ich dann publikationsfertig mache …