Gesundheit in der Akte und der Realität
Gerade wird die Krankenhausreform groß diskutiert und auch Hendrik Streeck kann es nicht lassen, auf den medialen Zug aufzuspringen. Er schlägt vor, im Gesundheitssystem nicht länger die in erster Linie Pauschalen für bestimmte Krankheiten oder gar tatsächlich vollbrachte Arbeit zu vergüten, sondern in erster Linie auf den Behandlungserfolg und die Gesundung der Patient*innen abzustellen.
Die Idee dahinter ist theoretisch auf den ersten Blick nicht dumm – Anreize sollten immer möglichst genau auf das Ziel, das sie erreichen wollen, ausgerichtet sein. Gleichzeitig haben wir hier aber mal wieder ein wunderbares Beispiel für die Gefahr durch den juristischen Zwilling: Diese Art der Vergütung reizt nämlich nicht dazu an, Patient*innen tatsächlich zu heilen, sondern diese mit einer Krankheit zu diagnostizieren, deren Heilung eine möglichst hohe Vergütung verspricht und sie dann nach möglichst geringem Ressourceneinsatz wieder gesund zu schreiben. Auf dem Papier. Ob sie die Krankheit wirklich hatten und/oder tatsächlich genesen sind, ist dabei erstmal egal.
Während Ärzte aktuell aus ökonomischer Perspektive motiviert werden, möglichst umfangreiche und renditestarke Behandlungen durchzuführen – definitiv auch kein Idealzustand –, wären sie dann motiviert, Patient*innen möglichst schnell für gesund zu erklären. Bei psychischen Krankheiten oder komplexen Symptomlagen ohne eindeutige Diagnose haben Patient*innen jetzt schon oft Schwierigkeiten, eine gesicherte Diagnose zu bekommen, der Anreiz solche oft auch schwer heilbaren Krankheiten zu diagnostizieren wäre dann noch geringer. Oder noch schlimmer, die Kranken werden frühzeitig gesund geschrieben und können dann keine Hilfe des Gesundheitssystems mehr erwarten …